: Von der Kloake zur Europa-Wasserstraße
■ Berlin beteiligt sich mit täglich rund 13 Tonnen organischer Substanzen
Potsdam. Die Badefreuden im wasserreichen Land Brandenburg sind getrübt. Die Devise für die Havel und die meisten von ihr gespeisten Seen bleibt: „Baden — nicht empfehlenswert“. Fachleute machen dafür phosphathaltige Kommunal- und Industrieabwässer, die aus Kläranlagen in die Havel fließen, verantwortlich. Berlin beteiligt sich daran mit täglich rund 13 Tonnen organischer Substanzen über den Teltow-Kanal. Hinzu kommt der rücksichtslose Umgang des Menschen mit seinem Lebensrohstoff Wasser. Autos werden am See gewaschen, Hausmüll ins Gewässer gekippt, ein egoistischer Tourismus tut sein übriges. Die Folge sind Überdüngungen und hohe bakterielle Werte des Wassers. Ein jährlicher Algenwuchs von vier Zentimetern — einst 2,5 Millimeter im Jahr — trübt das Wasser. Die Sichttiefe der Havel beträgt gegenwärtig rund 20 Zentimeter, normal wäre ein Meter. Absterbende Algen beeinflussen zudem den Sauerstoffgehalt und treiben den pH-Wert in eine gefährliche Höhe. Toxische Schwefel- und Schwermetallverbindungen gehören zu den Bestandteilen der Gewässerablagerungen. Allergische Reaktionen beim Menschen, ein verstärktes Fischsterben sowie der Rückgang des Schilfgürtels sind das Ergebnis. Um der weiteren Verelendung der Havel-Gewässer zu begegnen, sind die Länder Brandenburg und Berlin gemeinsam angetreten. Dabei haben sie auch den Ausbau des Flusses zur Europa-Wasserstraße im Auge. Mit 320 Millionen Mark finanziert Brandenburg Klär- und Abwasserreinigungsanlagen, die bundesdeutschem Standard entsprechen. Die Landesmittel effektiv und weitsichtig einzusetzen, ist das Ziel einer Gruppe von Wissenschaftlern verschiedener Einrichtungen. Sie untersuchen in einem „Havelseen- Projekt“ die Gewässerqualität vor und hinter Ballungsgebieten, seeinterne stoffliche und biologische Prozesse sowie Ablagerungen auf deren toxischen Gehalt. Dr. Georg Schettler vom Zentralinstitut für Physik der Erde in Potsdam, einer der Projektmitarbeiter: „Zu DDR-Zeiten wäre das Projekt in dieser Dimension unmöglich gewesen. Schon allein weil der Westberliner Havel-Abschnitt ja ein weißer Fleck für uns bleiben mußte. Zudem wurde jegliche Umweltforschung auf das Ziel reduziert, eine maximale Ausbeutung durch Industrie und Mensch zu erreichen.“ Schettler ist erleichtert, daß eine „Ganzheitbetrachtung der Umwelt“ möglich ist. adn
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