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Von Rücktritt keine Rede

Im Rechtsausschuss geht es nochmals um den Justizsenator. Opposition nennt ihn „bigott“

Von Stefan Alberti

Als Justizsenator werde man eben nicht geboren. Nicht dass Sven Kohlmeier, der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, komplett zufrieden wäre mit der Informationspolitik von Dirk Behrendt. Aber er zeigt viel Verständnis an diesem Mittwochnachmittag im Rechtsausschuss des Parlaments, wo es um die Ausbrüche aus dem Gefängnis Plötzensee geht. „Nicht der Fehler ist das Problem“, sagt Kohlmeier, „sondern wenn man aus Fehlern nicht lernt.“ Und die CDU solle bitte schön aus einer Liste von 25 SPD-Fragen nicht schließen, dass man auf Abstand zum Grünen-Politiker Behrendt gehe.

Behrendt hatte schon vorher zu erkennen gegeben, dass er nicht an den Rücktritt denkt, den die Opposition von ihm fordert, und die wiederum hatte mit Vorwürfen wie „Ausbrecherkönig“ eigentlich auch schon alles gegeben. Was blieb, war die Frage, wie sich die Koalitionspartner des grünen Senators verhalten würden, vor allem die SPD. Aus ihren Reihen nämlich hatte Kohlmeiers Fraktionskollege Joschka ­Langenbrinck nach vier Ausbrüchen und dem Fortbleiben von fünf Freigängern gewittert: „Das wäre eigentlich ein Rücktrittsgrund“.

Kohlmeier als ranghöchster SPD-Vertreter an diesem Nachmittag geht den Mittelweg. Zwar nennt er es „suboptimal“, dass Behrendt bei einem Treffen mit Abgeordneten am Ausbruchsort Antworten schuldig blieb, aber die CDUler sollten sich doch mal überlegen, wie sie handeln würden, wenn sie plötzlich in solcher Verantwortung wären – und als Justizsenator werde man eben nicht geboren; da muss man aus Kohlmeiers Sicht manches erst lernen.

Problematische Informationspolitik

Für die CDU-Fraktion und ihren rechtspolitischen Sprecher Sven Rissmann stellte sich das ganz anders dar. Er wirft Behrendt eine „problematische Informationspolitik“ vor. Die passe so gar nicht zu dem hohen Transparenzanspruch, den Behrendt als langjähriges Mitglied des Rechtsausschusses stets gehabt habe. „Bigott“ nennt Rissmann darum das Verhalten des Senators, das für ihn „nur schwer erträglich“ sei.

Behrendt selbst räumt ein, „dass wir unsere Aufgabe, die Gefangenen sicher unterzubringen, nicht erfüllt haben“. Er spricht in der Mehrzahl, wie schon zuvor kurz vor Sitzungsbeginn in einem Fernsehinterview, als er dem RBB sagt, man werde alles mitteilen, „was wir sagen können und wissen“.

Konkrete Konsequenzen haben die Vorfälle in Plötzensee vorerst nur für drei einfache Justizvollzugsbeamte: Sie führten am Tag des Ausbruchs die Aufsicht in jener Autowerkstatt, von der aus die Ausbrecher über einen angrenzenden Heizungsraum entkamen, und müssen jetzt laut Behrendt ein Disziplinarverfahren über sich ergehen lassen. Eigentlich machen diesen Job fünf Mitarbeiter – was den AfD-Abgeordneten Marc Vallendar fragen ließ, warum man die schwer zu überwachende Werkstatt an jenem Tag nicht wegen Personalmangel geschlossen ließ.

Ein 40-minütiger Vortrag der Justizverwaltung über die Haftanstalt an und für sich und den Ausbruch im Besonderen ergänzten Behrendts Äußerungen. Der eigentliche politische Abtausch steht am Donnerstagmorgen in der Plenarsitzung des Parlaments an: „Tage der offenen Tür – Berlin fehlt auch ein Justizsenator“ hat die CDU die geplante Debatte betitelt.

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