: Vom Verbot befreit gegen die Apartheid
■ Nach der Aufhebung des Verbots des ANC fängt der politische Kampf in Südafrika erst an / Von Hans Brandt
Mit der Veröffentlichung im Staatsanzeiger sind am Wochenende die Ankündigungen des südafrikanischen Präsidenten Frederick de Klerk über die Legalisierung des „Afrikanischen Nationalkongresses“ (ANC) und die Aufhebung des Banns gegen Hunderte Apartheidgegner Gesetz geworden. Das schwarze Südafrika feierte es wie einen Sieg. Die Mehrheit der politischen Aktivisten jedoch blieb skeptisch. Der ANC muß jetzt in kurzer Zeit eine gute Organisation aufbauen, um den Druck auf die Regierung in Südafrika aufrechtzuerhalten.
„ANC-Büro, guten Tag!“ Mit offensichtlicher Freude beantworteten am Samstag Mitarbeiter eines Beratungsbüros in Mitchells Plain, einem Wohngebiet für Mischlinge bei Kapstadt, das Telefon. Draußen tanzten und sangen indes jugendliche Anhänger des nur wenige Stunden vorher legalisierten „African National Congress“. Überall in den Straßen war die schwarz-grün-goldene Fahne der Organisation zu sehen. Übernacht hat der ANC eine Stimme bekommen.
Wenige Stunden, nachdem Südafrikas Präsident Frederick de Klerk in seiner Regierungserklärung vom Freitag das ANC -Verbot aufgehoben hatte, erschien Tom Sebina, ANC-Sprecher im sambischen Exil, im staatlich kontrollierten südafrikanischen Fernsehen; Sebinas Name stand bisher auf jener berüchtigten Liste von 165 Apartheidgegnern, lebend oder verstorben, die im Apartheidstaat Südafrika nicht zitiert werden durften. Viel hatte Sebina zunächst nicht zu sagen - „wir müssen den vollständigen Text der Rede von de Klerk noch auswerten„-, aber die Tatsache, daß er überhaupt im Fernsehen erschien, wäre noch 24 Stunden vorher undenkbar gewesen. Man schnappte förmlich nach Luft.
Auch Joe Slovo, Generalsekretär der südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP), der von weißen Südafrikanern mit Sicherheit am meisten gehaßte Weiße im ANC, konnte endlich öffentlich sprechen - und zeigen, daß auch er nur ein Mensch ist: „Natürlich habe ich Heimweh“, sagte er. „Es hat lange gedauert. Wir wollen alle nach Hause kommen.“ In seiner Funktion als Mitglied der ANC-Exekutive war er jedoch vorsichtiger: „Wir sollten uns nicht zu sehr aufregen. Wir müssen uns hinsetzen und in aller Ruhe die anstehenden Fragen erörtern, so die Rückkehr unserer Leute aus dem Exil und den bewaffneten Kampf.“
Als die Aufhebung des ANC-Verbots am Freitag bei einer Protestveranstaltung in Kapstadt verkündet wurde, konnte die Menge von etwa 8.000 Menschen es erst gar nicht glauben. Dann dann auf einmal brach der Jubel los. „ANC, ANC, ANC“ minutenlang ging der Ruf durch die Menge. Am Abend versammelten sich Hunderte von Autos in Mitchells Plain. Die Kolonne fuhr mit flatternden ANC- und SACP-Fahnen laut hupend durch die Innenstadt. Bis weit nach Mitternacht tanzten die Leute in den Straßen der Stadt am Kap.
Politische Aktivisten
weniger euphorisch
Auch in Johannesburg bildeten sich spontan Gruppen, die begeistert tanzten und Freiheitslieder sangen. Hier zeigte sich allerdings, daß die südafrikanische Polizei noch einige Zeit benötigen wird, um die Bedeutung von „freier politischer Meinungsäußerung“ zu verstehen: Verschiedene Gruppen wurden mit Tränengas, Gummigeschossen und Hunden vertrieben - angeblich, weil sie den Verkehr behindert hatten. Versammlungen, die aus anderem Anlaß für dieses Wochenende geplant waren, wurden zu wahren Siegesfeiern für den ANC.
Die führenden Aktivisten der südafrikanischen Opposition waren in ersten Stellungnahmen allerdings weniger euphorisch als die Bevölkerung. Trotz der offensichtlichen Freude über die Aufhebung des Verbots war vor allem die Überraschung über de Klerks Ankündigung zu spüren.
„Wir wissen noch nicht, wo die UDF jetzt steht“, meinte Patrick Lekota, Pressesprecher der „Vereinigten Demokratischen Front“ (UDF) etwas unsicher. „Die Frage, ob sich die UDF jetzt auflöst und sich dem ANC anschließt, muß noch diskutiert werden.“ Überall im Land fanden am Wochenende Beratungen statt, um zu bestimmen, wie die Opposition auf de Klerks Initiative reagieren sollte.
Unter der weißen Bevölkerung wurde die Nachricht mit gemischten Gefühlen aufgenommen. „Das ist endlich ein Schritt vorwärts“, meinte eine Frau auf der Straße in Kapstadt. Der Führer der ultrarechten Konservativen Partei, Andries Treurnicht, dagegen nannte de Klerks Rede „schockierend“. Auch für ihn kam die Nachricht völlig überraschend. Er konnte es kaum fassen.
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