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Vom Raumfahrtzentrum zur Raketenblechschmiede

■ Erno: Nach MBB-Daimler-Fusion nur noch Montagehalle? Management nach München? / Wedemeier will „Wortbruch“ nicht hinnehmen

1.500 Erno-Mitarbeiter sind in heller Aufregung. In der Bremer Senatskanzlei herrscht Rätselraten und heftige Betriebsamkeit. Bremens SPD-Bundestagsabgeordnete Koschnick und Waltemathe wollen sich auf Bundesebene kümmern: Der Bremer Traum vom „internationalen Raumfahrtzentrum“ könnte schon in den nächsten Wochen platzen.

Bis zum 20. Februar will der Vorstand der „Aerospace GmbH“ (DASA) im Fusionskonzern Daimler/MBB alle bundesdeutschen Raumfahrtaktivitäten neu ordnen und dabei auch über das künftige Schicksal seiner Bremer Tochter „Erno“ befinden.

Wieviel Bremen danach vom milliardenschweren Raumfahrtkuchen abbekommt, ist fraglich.

Alle Indizien deuten aber daraufhin, daß die Münchener DASA -Zentrale die Geschicke des zukunftsträchtigen Ariane -Rakentenprogramms künftig selbst in die Hand nehmen und von Bremen - bislang unbestrittener Systemführer aller beteiligten europäischen Firmen - nach Ottobrunn verlagern will. Wirtschaftliches Management, und high-technologische Weiterentwicklung des Trägerraketenprogrumms würde dann die süddeutschen Aerospace-Filialen auslasten. Bremen wäre zur Zuliefer-und Zusammenbau-Dependance

degradiert.

Repräsentanten von bisherigen Kooperationsfirmen der Bremer Erno verabschiedeten sich in den letzten Wochen jedenfalls vorsorglich schon mal von ihren bisherigen Gesprächspartnern: Bremen sei ja künftig nicht mehr

zuständig. Zwar dementierte die Münchener-Aerospace-Zentrale inzwischen „Verschiebung von Produktionslinien“ und bei der „Serienfertigung“. Ausgesprochen zugeknöpft zeigten sich die Konzernstrategen dagegen in punkto Managementstrukturen.

„Alles im Schwange und nichts spruchreif“, vertröstete ein Sprecher auf den 20. Februar, wenn der Vorstand die Arbeitsteilung im neuen Konzern öffentlich vorstellen will. Auch bei der Senatskanzlei, war kürzlich noch zu erfahren: „Hinter den Kulissen

läuft da was. Was, wissen wir nicht“.

Inzwischen hat Bürgermeister Klaus Wedemeier höchstpersönlich um Auskunft gebeten und auch bekommen. Was im Münchener Antwortschreiben steht, gilt allerdings als „top-secret.“ Daß es alles andere als beruhigend ausgefallen sein kann, belegt Wedemeiers Absicht, in den nächsten Tagen „intensive Gespräche“ zu führen. Wedemeiers Sprecher Ostendorf gestern: „Einen Wortbruch würden wir jedenfalls nicht hinnehmen. Die DASA hat sich schließlich gegenüber allen norddeutschen Ministerpräsidenten verpflichtet, die bisherigen Strukturen zu erhalten.“

Immerhin: 40 Millionen Steuermark hat Bremen sich die Fusion von Daimler Benz und MBB und das Aufsichtsratsmandat von Bürgermeister Klaus Wedemeier im neuen Konzern kosten lassen. Wedemeiers Amsvorgänger, Hans Koschnick, sitzt gleichzeitig im MBB/Erno-Aufsichtsrat. Falls der Erfolg ihrer Bemühungen nichts weiter als die Bestandsgarantie für eine Bremer Raketen-Blechschmiede wäre - die 40 Millionen wären schlicht in den Sand gesetzt.

K.S.

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