piwik no script img

Vom Ministerium zu Face­bookEndlich Lobbyismus für alle!

Daniél Kretschmar
Kommentar von Daniél Kretschmar

Deutschland lahmt bei der Digitalisierung. Mit dem Wechsel von Dorothee Bärs Büroleiterin zu Facebook geht es nun voran mit dem Einfluss der Netzgiganten.

Traumpaar der Eigenvorsorge: Julia Reuss mit Partner Andreas Scheuer Foto: dpa

E ine Büroleiterin der Staatsministerin für Digitalisierung wird Face­book-Lobbyistin. Es ist für Julia Reuss nicht der erste Gang durch die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft. Bevor sie vor zwei Jahren bei Dorothee Bär einzog, tauschte sie 2013 die Position der persönlichen Referentin des Bundesverkehrsministers gegen ein Engagement bei der Deutschen Bahn.

Reuss’ Karriereweg verläuft dabei recht zielstrebig an einer ethischen Grauzone entlang. Während für ihre Chefs Karenzzeiten für den Seitenwechsel im eigenen Fach gelten, sind die nachrangig bestellten Hilfskräfte deutlich freier in der Wahl ihrer Ar­beit­ge­be­r*innen.

Ein leichtes Aroma von Korruption liegt in der Luft, denn man darf wohl annehmen, dass auch ohne unmittelbar politische Verantwortung getragen zu haben, die aus der zweiten und dritten Reihe aufgebauten Netzwerke Teil der Verhandlungsmasse bei der beruflichen Neuorientierung sind.

Dabei schneidet Deutschland im internationalen Vergleich noch ganz gut ab. Die regelmäßige Platzierung unter den Top 10 im Korruptionsindex von Transparency International weist auf eine konsolidierte Situation hin. Der Geldschein, diskret beim Händedruck überreicht, ist passé. Die Bürokratie kennt ihren Job und wird gut genug bezahlt, um plumpere Bestechungsversuche lächelnd abwehren zu können.

Überfällige Normalität

Für eine nachhaltige Interessenvertretung auf Bundesebene gar braucht es noch viel mehr: Tradition, Verbindungen und eine extrem gut gefüllte Kriegskasse. Diese Einflusssphäre, wo sich das Personalkarussell so lange vornehmlich zwischen Ministerien und Großindustrie (Autobauer, Kohle, Stahl) drehte, ist nun auch in greifbare Nähe für die Netzplattformen gerückt. Die künftige Face­book-Lobbyistin Reuss ist die Bannerträgerin, die uns aus dem digitalen Neuland in eine längst überfällige Normalität führt. Dafür gebührt ihr Anerkennung und Dank.

Bleibt noch die Randnotiz, dass Reuss mit dem Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur liiert ist. Der mögliche Interessenkonflikt am Küchentisch aber sollte zügig erledigt sein. Schließlich wartet auf Andreas Scheuer, nicht zuletzt wegen seiner vielen Lobbyskandale und schon legendären Inkompetenz, doch der baldige Ruhestand. Oder etwa nicht?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Ich möchte weinen. Ausgerechnet Facebook.

    • 9G
      96177 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      mir gehts eher wie Liebermann.

  • Schließlich wartet auf Andreas Scheuer, nicht zuletzt wegen seiner vielen Lobbyskandale und schon legendären Inkompetenz, doch der baldige Ruhestand. Oder etwa nicht?



    #



    Das siehst du aber total falsch lieber Daniel. B.E. Scheuerte in das was Du o.a. bestimmt nicht. Der arbeitet ganz zielstrebig an seiner Anschlußverwendung & in dem Segment ist er wirklich gut&kompetent.



    Der muss, nach seiner Schamfrist, NICHT mit der Modelleisenbahn spielen. Die "Mobilitätskonzerne" sind nicht undankbar. Wetten wir?



    .



    Gr Sikasuu