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Vom Baumeister zum Braumeister

■ Das Focke-Museum erbt ein Stück Bremer Wirtschaftsgeschichte

Umzüge sind eine gute Gelegenheit, verschollene Besitztümer wiederzufinden. Das ist auch im Hause Becks so. Dort kam bei einem Etagenwechsel des Archivs das „Denkbuch“ von Lüder Rutenberg zum Vorschein, der die Brauerei 1873 gemeinsam mit Heinrich Beck gründete. Ehe der 1816 geborene Sohn der Stadt den weltweiten Siegeszug der grünen Pilsener-Flasche einläutete, prägte er als Baumeister das Bremer Stadtbild, obwohl er kein gelernter Architekt war, sondern Maurermeister. Die Kunsthalle geht ebenso auf sein Konto wie die prächtige Villa am Dobben 91, in der heute das Ortsamt logiert, oder das schmucke Haus, dessen Modell der Besucher des Focke-Museums zu Beginn des Rundgangs begegnet.

Museumschef Jörn Christiansen und Rutenbergs Ururenkel Michael Grobin sind sich einig: Das Buch eines alten Bremer Geschäftsmanns gehört ins Focke-Museum. Dass das taschenbuch-große Dokument zunächst im Archiv landen wird, stört niemanden. Gret Leisewitz, Witwe eines Rutenberg-Urenkels: „Im Staatsarchiv wäre das Buch sicher für immer verschwunden. Hier kann ich mir vorstellen, dass es einmal ausgestellt wird, etwa bei einer Ausstellung zum Thema Brauerei.“

Das schwarz gebundene Büchlein gewährt nicht nur Einblick in den wirtschaftlichen Aufstieg und die Bautätigkeit Rutenbergs. Es portraitiert auch den Menschen dahinter, dokumentiert zum Beispiel dessen erste Geschäfte: Als Knabe verkaufte er – angeregt durch die Sparsamkeit der Eltern – selbstgemalte Neujahrskarten an andere Kinder. Sparsam war der Geschäftsmann auch, was seine Hochzeitsreise betraf. Sie fiel zu Gunsten eines Besuchs auf dem Bremer Freimarkt ins Wasser, auch aus Scheu vor den „Kosten und Versäumnissen, die eine größere Reise verursacht haben würde.“

„Das Buch ist ein wichtiges Exponat für uns“, kommentiert Chris-tiansen die Schenkung. Er darf sich freuen, denn Gret Leisewitz hat noch mehr Schrifttum aus Rutenbergs Feder in petto. Die im „Denkbuch“ nur kurz behandelten Lehr- und Wanderjahre des prominenten Bremers sind in einem eigenen Tagebuch dokumentiert, das nachgereicht werden soll. kut

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