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Vom Autismus zur narrativen Form

■ Autorentheatertage im Juli am Thalia: Themenkomplex „Arbeit“ als kleinster gemeinsamer Nenner

Ein einheitliches Thema? Lässt sich schwer finden für die vom 1. bis 8. Juli erstmals stattfindenden Autorentheatertage am Thalia Theater. Allenfalls der Themenkomplex „Arbeit“ lasse sich, so Dramaturg John von Düffel, als minimale Gemeinsamkeit der Texte ausmachen, die die Jury aus 180 Einsendungen auswählte: Schicht heißt zum Beispiel ein Stück von Thilo Reffert, das in einem Szenenreigen arbeitslose, aber nicht larmoyante Protagonisten vorstellt; Repertoirestücke wie Dea Lohers Klaras Verhältnisse und Der dritte Sektor werden zudem neben Moritz Rinkes Republik Vineta stehen, ergänzt durch eine themenbezogene Podiumsdiskussion.

Die Stückauswahl trafen zwei Juroren – ein bewusst gewähltes Procedere: „Wir wollten, dass – wie bei den Hannoveraner Autorentheatertagen auch – ein Einzelner die Entscheidung trifft, damit die Gruppenmechanismen, die oft nur zu mittelprächtigen Lösungen führen, aufgelöst werden“, betont Thalia-Intendant Ulrich Khuon. Den Theaterkritiker Roland Koberg hat er deshalb angesprochen, der die Mitarbeit seines Kollegen Wolfgang Kralicek vorschlug.

Sieben Stücke haben die beiden aus der eingesandten Menge herausdestilliert, deren Markantestes die Vielfalt ist: Sich auflösende Gruppen, zersplitterte Figuren und musikalische Henker sind die Protagonisten der Stücke, von denen drei in Werkstattinszenierungen aufgeführt und vier gelesen werden, „ohne dass das ein Qualitätskriterium sein soll“, so Khuon. Überhaupt schätzt er die „Hitparadisierung“ nicht, die ständig neue Preise erzeuge und „letztlich immer ungerecht ist“. Klares Kriterium war allerdings, dass weder TV-Satiren noch Farcen, Monologe oder „Theater im Theater“-Stücke eingesandt werden sollten; überrascht habe die handwerkliche Qualität der Stücke. Auch sei die autistische Grundhaltung, die noch vor fünf Jahren dominiert habe, einem Trend zur narrativen Form gewichen, betont Khuon.

Für all dies steht in der Woche der Zusammenschau: neben Gesine Danckwart auch Beat Sterchi, Guido Koster, Sigrid Behrens, Felicia Zeller, Almut Tina Schmidt, Thilo Reffert und Soma Amos, die sich in der Vampirfarce Die Wiedergängerin der Frage widmet, in welcher Verfassung Tristan und Isolde wohl aus einer Zeitmaschine hervorgehen würden. Außerdem haben die Juroren zwei Gastspiele ausgewählt: Neben Werner Schwabs Volksvernichtung (Berliner Volksbühne) haben sie Dejan Dukovskis Pulverfass – Der Reigen der Gewalt (Bühnen Graz) eingeladen, das der mazedonische Autor 1994 in sensibler Vorausschau schrieb. Petra Schellen

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