: Volleyball als eine Art Religion
Auch im Volleyball gelten in Italien finanziell ganz andere Dimensionen als hierzulande; trotzdem schlägt sich der HSV im Cup der Pokalsieger gegen Titelverteidiger Parma beim 1:3 achtbar ■ Aus Parma Martin Block
Im europäischen Volleyball bleibt Italien weiter die Macht. Nachdem die UdSSR jahrelang das Geschehen auf dem Kontinent diktierte, setzte sich in jüngster Zeit zunehmend die spielerische Eleganz und Dynamik der Profis aus dem Land des amtierenden Europameisters durch.
Auch bei der Finalrunde im Herrenwettbewerb des Cups der Pokalsieger: Titelverteidiger und Gastgeber Maxicono Parma sowie der zweite italienische Teilnehmer, AS Sisley Treviso, setzten sich mühelos gegen den Hamburger SV und Dynamo Moskau durch. Während der Stern der Sputniks aus Moskau im ersten Halbfinalmatch gegen Treviso schnell mit 0:3 erlosch, wehrte sich der fünffache BRD-Meister HSV gegen Parma tapfer.
Erst nach 105 Spielminuten gaben sich die aus dem Norden den Profis aus der Schinkenstadt mit 1:3 (15:8, 15:12, 12:15, 15:7) geschlagen. Immerhin: Der HSV war das erste Team aus der Bundesrepublik, das in Italien einen Satz gewinnen konnte. „Das soll uns erst einmal einer nachmachen“, freute sich der 90fache Nationalspieler und Außenangreifer Christian Voß.
Während Volleyball seit den Olympischen Spielen 1972 in München auch hierzulande zunehmend an Attraktivität gewonnen hat, verkörpert dieser Sport in Italien eine Art Religion. Hier ist baggern und pritschen fast genauso populär wie Fußball. Hinzu kommt, daß es seit annähernd zehn Jahren eine Profiliga gibt, während in der BRD Klubs wie Leverkusen, Moers und Milbertshofen gerade an fangen, profihafte Infrastruktur zu schaffen.
Im internationalen Vergleich hinkt die Bundesrepublik Ländern wie Schweden, Italien, der UdSSR und selbst den Niederlanden um Lichtjahre hinterher. Das zeigt sich besonders bei Welt- und Europameisterschaften: Bei der Männer-EM 1989 in Stockholm belegte das BRD-Team vor der DDR den vorletzten Platz. Und da die Volleyballgruppen aus Ost -Berlin und Schwerin ohnehin bald von der geplanten deutschen Einheit verschluckt werden, bedeutet dies: Schlußlicht in Europa.
Allerdings flackert seit einigen Monaten ein Hoffnungsschimmer in der hiesigen Volleyballszene auf. Im Februar gewann der erst 1985 gegründete Moerser SC den CEV -Pokal, im Fußball dem UEFA-Cup vergleichbar. Sozusagen nur ein Cupgewinn der dritten Garnitur, aber immerhin. Die Frauen vom Abonnementsmeister Bayern Lohhof kamen im selben Wettbewerb in das Finale.
Der Deutsche Volleyball-Verband (DVV), der vom Präsidenten Roland Mader noch immer wie ein Verein der Sparte Tontaubenschießen geführt wird, hat unterdessen einen weiteren Grund für berechtigte Ambitionen auf einen sportlichen Anschluß zur europäischen Spitzenklasse. Vor einer Woche trat Stefan Moculescu zurück, Bundestrainer der Männer und gleichzeitig beim TSV Milbertshofen verantwortlich.
Ein Nachfolger ist zwar noch immer nicht in Sicht, aber zahlreiche Nationalspieler wie etwa Paul Schmeing aus Leverkusen, der „Volleyballer des Jahres 1989“, sowie Haucke Braack und Frank Mackerodt vom HSV haben nach dem Rücktritt des Rumänen Moculescu ihre Bereitschaft signalisiert, wieder für die deutschen Farben im Nationalteam anzutreten. Zuvor gaben diese Athleten angesichts der Bevorzugung von Spielern aus Milbertshofen ihre Engagement im Nationaldreß auf.
Vom italienischen Standard sind die BRD-Spieler jedoch noch einiges zurück. Am besten läßt sich der Rückstand auf internationaler Ebene am Beispiel des Hamburger SV veranschaulichen. Die Volleyballabteilung des HSV muß im Jahr mit einem Etat in Höhe von 650.000 DM auskommen. Und das seit Jahren.
Während die Etaterhöhungen in vom Chemiewerk Bayer unterstützten Leverkusen, in Milbertshofen und auch in der Provinzstadt Moers längst die Millionengrenze überschritten haben, muß HSV-Trainer Olaf Kortmann (34) beim Präsidium, das sich ohnehin nur für die im UEFA-Cup geschaßten Fußballer des Klubs interessiert, um jeden zusätzlichen Pfennig betteln. Einmal wollte Kortmann, der mit dem DVV im Dauerclinch liegt, sogar einen Privatkredit von 35.000 DM aufnehmen, um einen Spieler finanziell an den HSV zu binden.
Während in der BRD noch bürokratisch-penibel um jeden Geldbetrag gefeilscht wird, klotzen die Italiener. Der Schwede Bengt Gustafson verdient in Treviso allein zwei Drittel des gesamten HSV-Etats. Noch größere Dimensionen nimmt die Faszination im Volleyball allerdings in Parma an. Das fängt bei der Halle „Palasport Raschi“ mit 6.200 Sitzplätzen an und hört bei einem Saisonetat von 2,5 Millionen DM auf. Die Stars von Maxicono (Riesentüte) Parma
-der Klub wird von der Eiskremfirma Motta gesponsert haben nicht nur den HSV vernascht, sondern verdienen wie die Fürsten. Wenn Angreifer Andrea Zorzi, der den HSV praktisch im Alleingang abgeschmettert hat, den Verein wechselt, bekommt der 2,01 Meter lange Profi ein Jahres gehalt von 350.000 DM, und zwar netto.
Davon können selbst hochbezahlte Kicker wie Thomas Häßler nur Träumen. Aber da es in Italien fast unbegrenzte Steigerungsmöglichkeiten gibt, sei am Rande erwähnt, daß es sich bei Maxicono Parma lediglich um die zweitbeste italienische Mannschaft handelt.
Die Nummer eins ist das Team von Meister Modena. Die werden vom niederländischen Elektrokonzern Philips finanziell unterstützt, und die wirtschaftlichen Möglichkeiten zwischen Parma und Modena unterscheiden sich damit wirklich wie eine Eistüte und ein Videorecorder. Aber das ist eine andere Geschichte.
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