Volkswirt über die Riester-Rente: „Funktioniert nicht wie erhofft“
Für Geringverdiener lohnen sich Riester-Verträge nicht. Die staatlichen Zulagen sollten darum abgeschafft werden, fordert Gert Wagner.

Wenigstens einer, für den sich „seine“ Rente gelohnt hat: Walter Riester. Bild: reuters
taz: Herr Wagner, bei der Riester-Rente sind die Renditen niedrig und die Kosten hoch. Ist sie ein Flop?
Gert Wagner: Kein Flop – aber wenn man das Projekt an seinen ursprünglichen Zielen misst, muss man feststellen: Die Riester-Rente funktioniert nicht wie erhofft.
Was lief falsch?
Walter Riester wollte ursprünglich ein Obligatorium: Jeder sollte einzahlen. Stattdessen kam eine freiwillige Lösung, die nun dazu führt, dass aus sozialpolitischer Sicht zu wenige einen Vertrag abschließen.
Aber kann man einen Riester-Vertrag empfehlen, wenn die Renditen so niedrig sind?
Bei der gesetzlichen Rente ist langfristig gesehen auch unsicher, wie viel Geld am Ende herauskommt. Es ist grundsätzlich gut, auf mehrere Säulen zu setzen, um Altersvorsorge zu betreiben.
Bisher zahlen nur 6,4 Millionen Deutsche voll in eine Riester-Rente ein. Wollen Sie das Obligatorium nachträglich einführen?
Nein. Denn es bleibt ein fundamentales Problem: Für viele Niedrigverdiener lohnt sich die Riester-Rente nicht. Selbst wenn einige ein ganzes Arbeitsleben sparen, kommen sie am Ende nicht über die Grundsicherung.
Der 62-jährige Ökonom ist Professor an der TU Berlin, Mitglied im Vorstand des DIW und im neuen Sachverständigenrat für Verbraucherschutz.
Das klingt jetzt so, als wollten Sie die Riester-Rente abschaffen.
Nein. Aber die Riester-Rente sollte nur eine zusätzliche Absicherung darstellen wie früher die Lebensversicherungen.
Und was passiert mit der staatlichen Zulage?
Sie könnte nur noch für alte Verträge gelten – und ansonsten abgeschafft werden. Momentan gibt es merkwürdige Effekte: Gutverdiener werden gefördert, obwohl sie auch ohne Zulagen sparen könnten – während Geringverdiener nicht profitieren, weil sie noch nicht einmal auf das Niveau der Grundsicherung kämen.
Wäre nicht mit massivem Widerstand der Versicherungskonzerne zu rechnen?
Weiß ich nicht. Es wäre nämlich im Interesse der Lebensversicherungen, dass die Riester-Rente nicht mehr Teil der Mindestaltersvorsorge ist.
Warum? Die Lebensversicherungen haben damals starken Lobbydruck aufgebaut, damit die Riester-Rente eingeführt wird.
Ja, aber damals hat niemand überblickt, was wirklich passieren wird. Die Versicherungen leiden darunter, dass Riester-Produkte extrem reglementiert und verwaltungsaufwendig sind, weil sie Teil der regulären Altersvorsorge sein sollen. Für die Versicherungen wäre es besser, wenn Riester nicht mehr der Regelsicherung dient.
Aber wie sollen die Beschäftigten vorsorgen, wenn die Riester-Rente nicht mehr gefördert wird? Die gesetzliche Rente allein reicht nicht.
Man sollte die betriebliche Altersvorsorge ausbauen. Damit können alle Beschäftigten obligatorisch erfasst werden, die einem Tarifvertrag angehören.
Die Tarifverträge gelten aber in vielen Betrieben gar nicht oder nur eingeschränkt.
Die Tarifverträge erreichen trotzdem mehr Beschäftigte als die, die jetzt voll in die Riester-Rente einzahlen.
Dennoch würde auch eine Betriebsrente nicht reichen, um die Kürzungen bei der gesetzlichen Rente auszugleichen.
Das kommt auf die Höhe der Betriebsrente an. Zudem sind die deutschen Lohnstückkosten im internationalen Vergleich eher niedrig. Da ist Spielraum. Meines Erachtens ist diskutierbar, wie man diesen nutzt: ob nur für höhere Löhne oder auch für etwas höhere Rentenbeiträge und damit höhere gesetzliche Renten.
In den Niederlanden gibt es eine Garantierente, die unabhängig vom Einkommen ist. Wäre das ein Modell für Deutschland?
Ich will nicht vorschnell ein bestimmtes Modell präferieren. Aber wir sollten darüber nachdenken, wie wir die gesetzliche Rente so gestalten, dass jeder, der jahrzehntelang eingezahlt hat, eine auskömmliche Mindestrente bekommt, die über Hartz IV und der Grundsicherung liegt.
Leser*innenkommentare
Biggi Maier
Sie argumentieren, die RiesterRente wäre schlecht, weil bei Geringverdienern die spätere Leistung auf die Grundsicherung angerechnet wird und empfehlen deswegen eine betriebliche Altersvorsorge.
Allerdings frage ich mich, worin der Unterscheid liegt? Auch die betriebliche Altersvorsorge wird auf die Grundsicherung angerechnet.
Bei einer Abschaffung der Riesterförderung würden Sie zudem Bezieher von ALG I, Mütter/Väter in der Erziehungszeit, 450-Euro-Jobber, Erwerbunfähigkeitsrenter sowie Beamte von der Förderung ausschliessen, den (mit Ausnahme der letzteren) überhaupt keine Arbeitgeber vorhanden sind, die sich an dem Aufbau einer Altersvorsorge zeitigen könnten.
Wie Gabor Törn bereits ausgeführt hat: Die RiesterRente wurde 2002 eingeführt, weil das Rentenniveau von 70% auf 63% abgesenkt wurde (Auf Basis 70 entspricht dies einer Rentenreduzierung von 10%!), dient also tatsächlich nur zum Ausgleich dieser damals entstanden Lücke.
Insofern halte ich die RiesterRente gerade für die oben genannten Gruppen welche ohne Arbeitgeber für Ihre Rente vorsorgen wollen/müssen, nicht nur für eine äusserst Wichtige sondern im Einzelfall sogar überlebensnotwendiges Einkommen
Gabor Törö
Die Kirche sollten alle mal im Dorf lassen und sich auf die Ursprünge besinnen. Anlass für Riester war die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung 2000/2001, bei der das Nettorentenniveau von 70 % auf 67 % reduziert wurde. Die 3% sollten kapitalgedeckt über Riester geschlossen werden. Vergessen wurde leider nur, die Leistungsphase von der Anrechnung bei der Bemessung von grundsichernden staatlichen Leistungen freizustellen.
In einer Extrem-Situation, in der z.B. ein lediger alleinerziehender mit zwei kleinen Kindern über einen Eingenbeitrag von 60€ p.a. 754€ p.a. Zulagen über den kompletten prämienbelasteten Zeitraum vereinnahmt, kann die interne Kostenstruktur des Anbieter sein, wie sie will: Zum Verrentungszeitpunkt muss der Anbieter Eigenbeiträge und Zulagen garantieren. Selbst wenn der Vertrag intern keinen Ertrag abgeworfen hat, muss der Vertrag garantiert das 13,57-fache des Eigenbeitrag abwerfen. Wäre also die Rentenreform richtig gemacht worden, würde die Riester-Renten sich insbesondere für die kleinen Leute rechnen. Der Makel haftet also originär nicht der Riester-Rente, sondern der Rentenreform an. LG Gabor Törö
BTW: Ohne jeden Zweifel decken die am Markt verfügbaren Riestertarife, das komplette Spektrum des Ertragbaren ab...
Lowandorder
@Gabor Törö Sorry - aber welches Dorf in welcher Kirche schwebt Ihnen oder wem auch vor?
Lowandorder
Wagner? ich mein nicht den Komponisten!
2.0
Gert Wagner: Kein Flop – aber wenn man das Projekt an seinen ursprünglichen Zielen misst, muss man feststellen: Die Riester-Rente funktioniert nicht wie erhofft.
Sorry - Herr Wagner - da Sie kein Dummkopf sind -
gehörten Sie von Anfang an -
nicht zu denen - die anderes "erhofft" haben;
Der Flopp für das - wofürs angeblich geplant war -
der war von Anfang an plan as plan can be;
Das Resteriestern zu lesen -
kann frauman sich dann sparen;
Ein Staats/Versicherungswirtschaftbetrug -
im Doppeöpass zu Lasten der Niedrigverdiener
und staatlich verordenter lowlevelRentner.
Wer post WK II - 1000 Milliarden
zweckentfremdet aus der Rentenkasse entnommen hat
(vgl Peter Teufel http://www.taz.de/!65118/ ) und die
Lohnabhängige Bevölkerung dementsprend mit
40%plus Rente abspeist;
sich aber - soweit staatsbediestet - mit
70%plus vom Acker macht;
Der hat jeglichen Kredit an
Glaubwürdigkeit verspielt;
Da gibt es nix - Gesundzubeten - Herr Wagner!
Und Ende im Gelände.
http://www.taz.de/Volkswirt-ueber-die-Riester-Rente/!157666/
BigRed
"Aber wie sollen die Beschäftigten vorsorgen, wenn die Riester-Rente nicht mehr gefördert wird? Die gesetzliche Rente allein reicht nicht."
Wie wäre es damit, wenn die beschissenen Kürzungen, absinkenden Faktoren etc. schlicht zurückgenommen werden. Das ist deutlich einfacher, als an den Betriebsrenten rumzuschrauben. Und wenn sich der Staat auf eine Mindestrente verpflichtet, ist auch
"Bei der gesetzlichen Rente ist langfristig gesehen auch unsicher, wie viel Geld am Ende herauskommt."
Makulatur.
X7n2rN3EF
Lasst euchmal von Volker Pispers die Riester-Rente erklären - die ist sehr wohl ein Flop!
Biggi Maier
Weil Volker Pispers als Kabarettist ja solo viel Ahnung von dem Produkt hat.
Seien Sie mir nicht böse, aber den Unterscheid zwischen Satire (Übertreiben von Teilbereichen und dem Weglassen anderer Teilbereiche) und den tatsächlichen Fakten (Betrachtung des Ganzen) sollte man schon unterscheiden können.