Volkswagen stellt auf E-Autos um: Autos für die Generation ID.3

Mit seinem ersten vollelektrischen Fahrzeug will VW ins Elektrozeitalter aufschließen. In Zwickau rollen nun die ersten Exemplare des ID.3 vom Band.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht, gemeinsam mit Herbert Diess (l), VW-Konzernchef, und Michael Kretschmer (CDU, r), Ministerpräsident von Sachsen, mit einem Arbeiter am Produktionsband für die Produktion des Elektroautos ID.3 zu. Das Fahrzeug g

Am Fließband: Merkel mit einem Arbeiter, VW-Chef Diess und Sachsens Ministerpräsident Kretschmer Foto: dpa

Der Produktionsstart des ID.3 ist von hohem Symbolwert. Er steht nicht nur für die geistige Trendwende im VW-Konzern, dem noch vor wenigen Jahren die Atmosphäre so egal war, dass er mit Abgaswerten getrickst hat. Er steht auch für die Weiterentwicklung des Standorts Deutschland. „Mit Recht kann man sagen, dass VW heute in eine neue Ära geht“, sagt Autoexperte Ferdinand Duden­höffer vom Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen. „Es ist ein historisches Ereignis.“

Der ID.3 ist nach Ansicht der Experten so wichtig, weil der wichtigste deutsche Autohersteller damit in die Liga von Tesla, BYD oder Nissan aufschließt. Denn es waren in den vergangenen Jahren Firmen aus den USA, China und Japan, die die ernstgemeinte Massenproduktion von batteriebetriebenen Wagen in Angriff genommen haben. Zugleich haben sie mit ihren futuristischen Ingenieurleistungen ein modernes Image aufgebaut, neben dem deutsche Produkte plötzlich alt aussahen. Deshalb platziert Konzernchef Herbert Diess den ID.3 nun anstelle des Golf in der Mitte der VW-Modellpalette – so wie dieser einst den Käfer verdrängt hat. Der elektrische ID.3 soll das Standard-Auto für ganz normale Leute sein.

Dazu muss der ID.3 nicht das beste oder modernste Elektroauto der Welt sein, aber er muss hohe Zuverlässigkeit bei schönem Design zu einem akzeptablen Preis bieten. Das scheint gelungen zu sein. Das Modell mit der kleinsten Batterie kostet knapp 30.000 Euro. Mit der jetzt von 4.000 auf 6.000 erhöhten Förderung werden daraus 24.000 Euro – das sind zwar noch einige Tausend Euro mehr als ein einfacher Golf, aber der Preis soll in den kommenden Jahren weiter sinken. Der ADAC spricht daher schon vom „Volks-Elek­tro­auto“. Das Einstiegsmodell erlaubt allerdings nur eine Reichweite von 330 Kilometern. Wer mit einer Ladung 550 Kilometer weit fahren will, muss wohl rund 15.000 Euro mehr ausgeben – Batterien sind teuer. Dafür hat das Ding aber auch 204 PS.

Anschluss behalten

Damit zieht Deutschland mit den Herstellerländern gleich, die schon seit Jahren reguläre Serienmodelle für den Massenmarkt hervorbringen; Tesla ist kein Schreckgespenst aus einer anderen Welt mehr, sondern ein Konkurrent auf dem gleichen Feld. Nach Ansicht von Experten wie Dudenhöffer ist es durchaus nicht zu spät, um den Anschluss zu behalten. In der Wirtschaftsgeschichte sind nicht nur die Pioniere einer Technik erfolgreich. Google war nicht die erste Internetsuchmaschine, Toyota nicht der Erfinder des Autos und Osram nicht der erste Anbieter von Glühlampen – aber sie waren in entscheidenden Punkten besser als die Vorreiter und konnten sich daher im Markt durchsetzen. Der Markt für E-Mobilität steckt trotz allen Geredes in der Praxis noch in den Anfängen. Und mit starken Marken wie VW, Daimler und BMW gibt es auch künftig ein gutes Argument, ein deutsches Produkt zu kaufen.

Die Regierung will die E-Auto-Kaufprämie von 4.000 um 50 Prozent auf 6.000 Euro erhöhen. Ob sich die Industrie daran wie bisher beteiligt, war auch Thema beim Autogipfel zur Förderung der Elektromobilität am Montagabend im Kanzleramt. Bis 2030 sollen eine Million Ladepunkte geschaffen werden, damit bis Ende des kommenden Jahrzehnts zehn Millionen E-Autos auf deutschen Straßen fahren können. Tankstellen sollen Auflagen zum Bau von Ladepunkten bekommen. Bis 2022 sollen mindestens vier Schnell-Ladepunkte an jeder Autobahn-Raststätte stehen.

Ob das Umsteuern der deutschen Autobauer klappt, hängt laut Diess davon ab, ob Deutschland selbst ein echter Referenzmarkt für die neue Technik wird. Diess verlangte deshalb zum Produktionsstart des ID.3 eine höhere CO2-Besteuerung, als die Bundesregierung sie bisher vorsieht. Die Forderung eines Autobosses nach strikten Umweltgesetzen klingt wie verkehrte Welt, ist aber betriebswirtschaftlich logisch. VW investiert in den kommenden Jahren 30 Milliarden Euro in die Elektromobilität. Damit sich das lohnt, müssen die Kunden auch zugreifen.

Für Volkswagen ist der ID.3 der Einstieg in den Ausstieg aus der Ära des Verbrennungsmotors. Das Unternehmen hat daher nicht einfach ein Auto entwickelt, sondern einen ganzen Technik-Baukasten, mit dem sich künftig alle Modelle elektrifizieren lassen. Das neue Modell ist nur die erste Anwendung des „Modularen E-Antriebs-Baukasten“ (MEB), andere sollen schnell folgen. „Mit der MEB-Plattform gelingt es – so wie Tesla – Elek­troautos ganz spezifisch zu bauen und nicht als Kompromiss“, sagt Dudenhöffer. VW gehe „die Neuausrichtung der Branche sehr beherzt an“.

Diess verteidigte am Montag seinen strengen Fokus auf Elektromobilität in Abgrenzung zu Wasserstoff und künstlichem Benzin. Die Welt brauche jetzt sofort umweltfreundliche Mobilität, und beide Alternativen seien noch nicht so weit. Sie sind zudem wegen ihres geringen Wirkungsgrades auf einen Überfluss an Ökostrom angewiesen, den es vorerst nicht gebe. „Ohne Elektroauto können wir den Kampf gegen den Klimawandel nicht gewinnen“, sagte Diess.

Das Ladeproblem

Wie schnell sich das Elektroauto durchsetzt, hängt nun davon ab, wie leicht es sich laden lässt. Bisher hapert es hier noch. Das Verkehrsministerium hat am Montag seinen „Masterplan Ladeinfrastruktur“ veröffentlicht: Um wie geplant in zehn Jahren zehn Millionen E-Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, wären eine Million Ladesäulen nötig. Andere Länder investieren bereits sehr viel mehr. Über eine Million Strompunkte gibt es in China bereits, bis Ende 2020 sollen es 4,8 Millionen sein. Volkswagen will dafür sorgen, dass es auch Autos aus deutscher Massenproduktion gibt, die sich damit laden lassen. Mit 1,2 Milliarden Euro Investitionen ist Zwickau zum größten Elektroautowerk Europas geworden.

Über die Zukunft der Automobilbranche entscheide jedoch nicht nur die Antriebsart, sagt Achim Berg, Präsident des Digitalverbands Bitkom. „Wir brauchen intelligente, vernetzte Fahrzeuge, die Staus vermeiden und die schwächsten Verkehrsteilnehmer vor Unfällen schützen.“ Auch hier ist die Konkurrenz weiter. Tesla treibt die Einführung des selbstlenkenden Autos voran, während chinesische Modelle schon so digital sind, dass sie wie die fahrende Verlängerung des Handys wirken. „Wir brauchen die weltweit besten Rahmenbedingungen für das vernetzte Fahren“, fordert Berg. Sonst wirken deutsche Autos schnell altbacken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.