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Volksversammlung in StuttgartVerkehrsminister im Stresstest

Der grüne Verkehrsminister von Baden-Württemberg hat es nicht leicht. Bei einer sogenannten "Volksversammlung" wurde er in Stuttgart heftig angegangen.

Kann es derzeit keinem recht machen: Winfried Herrmann. Bild: dpa

STUTTGART taz | Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ist am Mittwoch sowohl von Stuttgart-21-Befürwortern wie –Gegnern in die Mangel genommen worden. Bei der so genannten Volksversammlung auf dem Stuttgarter Marktplatz musste sich Hermann nicht nur kritischen Fragen zum S21-Stresstest stellen, sondern auch zu den Ausschreitungen am vergangenen Montag. "Ich war sehr beunruhigt und erschüttert", sagte Hermann zu den Ereignissen. "Ich kann nur die Bewegung warnen: Macht da nicht mit."

Anfang der Woche hatten mehrere hundert Demonstranten nach der Montagsdemo eine S21-Baustelle gestürmt, Zäune umgeworfen und Baufahrzeuge beschädigt. Mehrere Polizisten sollen dabei verletzt worden sein. Seitdem tobt ein Streit um die Deutungshoheit über die Ereignisse. Zahlreiche S21-Gegner streiten ab, dass von ihnen Gewalt angewendet worden sei, sprechen hingegen von einer „Feierabendstimmung“ und beschuldigen die Polizei, gezielt Provokateure eingesetzt zu haben. Die Polizei streitet dies wiederum vehement ab.

Hermann betonte, dass sich beide Seiten an Regeln halten müssten. Weiter verteidigte er den gerade neu ins Amt berufene Stuttgarter Polizeipräsidenten, Thomas Züfle. Dieser pflege zivile und gewaltfreie Umgangsformen. "Da haben wir einen guten Mann. Da könnt Ihr Euch drauf verlassen", so Hermann.

Vor allem aber für seine Aussage, dass er die Informationen unter anderem der Presse entnommen hätte und es keinen Zweifel daran geben könne, "dass es gewaltsam war", erntete Hermann lautstarke Pfiffe von S21-Gegnern. "Das einfach zu bestreiten, ist keine kluge Strategie", entgegnete dem Hermann.

Minister Herrmann im Kreuzfeuer

Umgekehrt musste sich der Minister als "Lügenpack" beschimpfen lassen, als es um den Stresstest ging. Hier brachte er die S21-Befürworter gegen sich auf, beispielsweise als Hermann über die Leistungskapazität des bestehenden Kopfbahnhofs redete oder die Frage deutlich verneinte, ob ihm von der Bahn schon Ergebnisse zum Stresstest vorlägen. Bis zum Regierungswechsel noch hatten S21-Gegner stets die schwarz-gelbe Landesregierung als Lügenpack beschimpft.

Auch die S21-Befürworter beschäftigten die Ausschreitungen vom Montag. In Anlehnung an den "schwarzen Donnerstag", als Ende September Hundertschaften der Polizei mit Wasserwerfern gegen S21-Gegner vorgegangen waren, hielt ein S21-Freund ein Schild mit der Aufschrift hoch "Grüner Montag". Darunter listete er unter anderem die neun verletzten Polizisten und einen Millionen-Sachschaden auf. Auf einem anderen Plakat wurde Hermann als "Winfried Hetzmann, der Eskalations-Minister" bezeichnet.

Hermann selbst lobte am Ende des Abends die Veranstaltung. Es sei toll, was sich in Stuttgart entwickelt hat. Ausdrücklich erwähnte er die kritischen Nachfragen vieler S21-Befürworter. Er würde sich gerne wieder so einer Debatte stellen.

Die Volksversammlung wurde vom Verein "Leben in Stuttgart – Kein Stuttgart 21" des Projektgegners Gangolf Stocker organisiert. Bei dem nächsten Treffen in vier Wochen stellt sich die neue Bildungsminister Gabriele Warminski-Leitheußer den Fragen der Bürger.

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13 Kommentare

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  • F
    Fazer

    Es zeigt sich dass der grüne Verkehrsminister ein klarer Lügner und Hetzmann ist. Die Niederlage beim Stresstest vor Augen belügt er die Menschen indem er so tut als wäre von der Bahn der Stresstest nicht regelmäßig mit dem Land besprochen worden. Dabei hat die Bahn auf Wunsch der rotgrünen Regierung die Anforderungen sogar noch mal verschärft. Die Grünen haben über Jahre im Bund S21 mit gefördert und erst gegen Ende ihr Gegnerschaft entdeckt. Dann haben Sie das Wahlvolk darin belogen daß man ihm vormachte man könne ein 15 Jahre lang besprochenes und durchprozessiertes Projekt einfach so stoppen. Wären die Grünen ehrlich würden Kretschmann und Hetzmann zurücktreten und Neuwahlen ausschreiben.

  • S
    Stefanonym
  • R
    Reutlinger

    Das der Sogenannte Verletzte der auf den Bildern und videos ist wurde ja von der StaWa bestätigt. Die restlichen beweise werden noch kommen, aber wenn sich die StaWa wundert warum keiner zu ihnen kommt.............wenn man bedenkt wie die leute nach dem 30.09. behandelt wurden..........da hat kaum noch einer überhaupt vertrauen zur Polizei oder der Staatsanwaltschaft. Die ist leider noch durchgängig mit CDU-Schergen besetzt. Und die Stadt Stuttgart wird immer noch von Schuster regiert. Da kann die neue Landesregierung momentan noch nicht viel machen.

     

    Mir und vielen anderen entrückt das nur noch ein zynisches Lachen, wenn es heißt wir sollten Züfle dem Polizeipräsidenten und der Polizei vertrauen............

    Warum sollen wir Pathologischen Lügnern vertrauen?

  • S
    Stefanonym

    @hann0s: es ist naiv, von Herrn H. zu erwarten, sich als Regierungsmitglied zu dem Vorwurf eingeschleuste Provokateure zu äußern, solange es keine gerichtlich verwertbaren Beweise gibt.

    Diese Beweise werden möglicherweise bald geliefert:

    Pressekonferenz des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 und der Parkschützer am 24. Juni um 11 Uhr im DGB-Haus (Willi-Bleicher-Str. 20, Stuttgart, Eingang Theodor-Heuß-Straße)

  • BR
    Bleed Ranner

    Wer hat eigentlich den Terminus "Volksversammlung" eingeführt? Das erinnert doch arg an alte Zeiten! Andererseits auch nicht verwunderlich, S21 könnte man auch als Volksverhetzung sehen.

  • F
    frank

    Da konnte sich endlich mal die Jungen Unionsmitglieder in der Kaderschmiede durch ihre Teilnahme bewerben. :)

  • H
    Hobbes

    @ hann0s: Also mal ehrlich, nur weil die Grünen nicht sofort das machen, was Sie von ihnen verlangen, sie gleich als "Wendehalspack" zu bezeichnen, finde ich stark übertrieben und einfach unnötig. Es geht momentan um weit mehr, als um dieses Bahnhofsprojekt. Es geht jetzt darum, mal etwas weniger die große Trommel zu schlagen und sich wirklich mal zusammenzusetzen, um Lösungen für die großen Probleme der Gegenwart zu finden, denen ist die Parteizugehörigkeit vollkommen egal.

     

    @ MathiasL.:

     

    Wissen Sie, was mir bei der ganzen Diskussion um S21 sowas von auf die Nerven geht??

    Beide Seiten lieben es, ihr Feindbild von der jeweils anderen Seite zu hegen und zu pflegen, und sobald man mal seine meinung sagt oder einfach nur da ist, wird man SOFORT in eine Schublade gesteckt.

     

    Es ist so oft schnurzegal, was man sagt, und wenn es nur "hallo" ist, so glauben die leute exakt zu wissen, wer man ist.

    Wenn man mal ganz realistisch über das nachdenkt, was ich mir schon anhören durfte, was ich angeblich sei (ich könnte proler wie keinler sein), so ist es schlicht UNMÖGLICH, alles zugleich zu sein!!

     

    Von seniler Rentner über Neonazi, von durchgeknallter Jugendlicher, der von seinen Eltern instrumentalisiert wird bis zum Dreckigen Punk, Kommunist oder einfach Vollidiot reicht die Sparte der Bezeichnungen, für die es natürlich jede Menge "Beweise" gibt, die eine solche Bezeichnung auch "bestätigen". Mir wurde schon ein paar mal sogar abgesprochen, dass ich überhaupt ein Mensch bin!

     

    Für diese krass beschränkte Sicht gibt es auf beiden Seiten Paradebeispiele, und Sie beide sind ganz ehrlich eins davon!

    An der S-21 Geschichte zeigt sich mal wieder, dass viele Menschen auf "andere", nicht "normale" alles schlechte projezieren, was ihnen einfällt.

     

    Herr Hermann ist S-21-Gegner-> nicht glaubwürdig, schlecht, Lügner, einfach nur böse, verachtenswert, ein niedriger Mensch usw.

     

    Herr Hermann sagt einfach mal, was er davon denkt (ja, er hätte sich besser informieren könnten, hat er halt einfach jetzt grade nicht und hat einfach mal seinen momentanen stand verteidigt)-> Lügenpack, schlechter Mensch, Verräter usw.

     

    Kommentare und Statements wie die Ihren bereichern die politische Landschaft und bringen die Diskussion um das weitere Verfahren enorm voran, wirklich!

  • B
    Bahnfahrer

    Hermann hat sich vor einen Bruchteil des Volkes gestellt (überwiegend in K21 Outfit) und einen Stresstest für den bestehenden Kopfbahnhof gefordert. Grund dazu hatte er, denn seit Freitag vergangener Woche liegt ihm das Ergebnis des Stresstestes der Bahn vor, lediglich die Berurteilung des unabhängigen Gutachters SMA steht noch aus und Hermann weiß bereits, dass S21 den Stresstest locker bestanden hat, falls SMA nicht noch ein Haar in der Suppe findet, was eher unwahrscheinlich ist. Deshab baut er vor und fordert einen, die Basis für den Stresstest zu erhöhen, nichts anderes ist die Forderung nach dem Stresstest für den Kopfbahnhof. Dass Hermann allerdings - trotz dreimaliger Nachfrage von Zuschauern - behauptet, er kenne die Ergebnisse des Bahn-Stresstestes noch nicht, ist nichts anderes als eine Lüge. Und spätestend dann, wenn ein Minister einer Regierung die für "Zuhören und Transparenz" antrat seinem Wahlvolk derartig ins Gesicht lügt ohne rotzuwerden, hat er die politische Bühne freiwillig zu räumen oder er muss weggeräumt werden. Gutenberg und Co haben wenigstens nur ihre Dokterväter angelogen.

  • J
    j.e.s

    @Mathias L.:

    Schuster, Grube, Ramsauer, Mappus (oh, der is ja weg), Merkel etc. sind alle bekennende S21-Befürworter. Deshalb ist von denen, was Sachlichkeit und Ehrlichkeit betrifft, von vornherein nicht viel zu erwarten. Höchstens Polemik.

    So einfach ist das...

  • R
    rheinelbe

    Stresstest für grüne Wahlversprechen.

     

    Eindeutig nicht bestanden!

  • M
    MathiasL.

    Hermann ist bekennender S21 Gegner. Deshalb war von seiner Rede, vor allem was Sachlichkeit und Ehrlichkeit betrifft, von vornherein nicht viel zu erwarten. Höchstens Polemik. Und er gießt "Öl ins Feuer", wenn ich an Streßtest K21 denke. Es wir ja immer ein neuer Vorschlag angehängt. Hermann spielt eindeutig auf Zeit.So kann man auf keinen Fall, die Leute beruhigen.Die Nummer fand ich unehrlich und peinlich.

  • V
    vic

    Ich habe den Eindruck, einige S21 Freunde haben ihre gute Erziehung vergessen, wenn sie je eine hatten.

  • H
    hann0s

    Es wurden doch schon mehrfach eingeschleuste Provokateure der Polizei auch hier in Deutschland aufgedeckt. Das in solch einem Klima ein grüner Minister sofort ausschließt, das irgendwas an der Sache faul sein könnte, zeigt für mich das dieses Grüne Wendehalspack weiter einen Keil in die Bewegung treibt. Ein Vorgang der bereits bei der Schlichtung und diesem grenzdebilen "Härtetest" angefangen hat. Diesen Parteien kann man nur so weit trauen, wie die Brustwarzen aus dem Körper ragen