Volksinitiative gegen Turbo-Abitur: Scheuerl-Streit hat Nachspiel
Der Verfassungsausschuss soll sich mit der Initiative „G9-Jetzt-HH“ befassen. Dem Schulausschuss-Chef trauen SPD, Linke und Grüne nicht.
HAMBURG taz | Die letzte Sitzung der Bürgerschaft am 13. Dezember war geprägt von Aufregung um den parteilosen Abgeordneten Walter Scheuerl. Die Konsequenz war ungewöhnlich: Mit den Stimmen von SPD, Linken und Grünen wurde entschieden, die Beratungen über die Volksinitiative „G9-Jetzt-HH“ in den Verfassungsausschuss zu überweisen, der von SPD-Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit geleitet wird. Dort – und nicht im Schulausschuss – soll auch die Anhörung sein, in der die Eltern ihre Argumente fürs neunjährige Gymnasium (G9) vortragen.
Die Initiative hatte am 15. November 16.730 Unterschriften eingereicht. Nun läuft die viermonatige Frist, innerhalb der sich die Bürgerschaft mit dem Anliegen befasst und sich vielleicht auch mit der Gruppe einigt. Kommt es nicht dazu, folgt das Volksbegehren, für welches die Turbo-Abi-Gegner in drei Wochen rund 62.000 Unterschriften sammeln müssen. Doch dieser Termin würde exakt in die Sommerferien fallen. Und darum gibt es Ärger.
Begonnen hatte der Streit am 3. Dezember, als SPD-Schulpolitiker Lars Holster spät abends im Schulausschuss unter „Verschiedenes“ beantragte, dass die G9-Initiative Mitte Februar zur Anhörung geladen wird. Diesen Antrag ließ der Vorsitzende Walter Scheuerl nicht zu, weil er nicht auf der Tagesordnung stand und es Widerspruch von CDU und FPD gab. Diese und weitere Streitigkeiten um Geschäftsordnungsfragen führten dann zu einer Sitzung des Ältestenrates.
Die Initiative "G9-Jetzt-HH" fordert das neunjährige Abitur an allen Gymnasien als Wahlangebot. Bereits heute bieten das die Stadtteilschulen an.
Die Fristen für das Volksgebungsgesetzverfahren sind festgelegt. Um Ferien zu meiden, müssen Initiativen gut planen.
Gute Erfahrung mit Ferienterminen machte Manfred Brandt von "Mehr Demokratie": "Die Leute haben mehr Zeit, Unterschriften zu sammeln."
Schließlich stellte die Initiative am 11. Dezember offiziell den Antrag, die Bürgerschaft möge besagte Frist bis zum 30. April verlängern. Auf diese Weise würde verhindert, dass das Volksbegehren in die Ferien falle. Schließlich hätten auch die Abgeordneten zwei Monate Sommerpause. Erholung bräuchten Eltern und Kinder ebenso.
Am Morgen des 12. Dezember schickte Scheuerl in seiner Rolle als Sprecher der Initiative „Wir wollen lernen“ eine Rundmail, in der er dies unterstützte. Es liege „in der Hand der Bürgerschaft“, eine Abstimmung nach den Ferien zu ermöglichen. Dies wäre zur Klärung, wie breit die Unterstützung sei, die „sachgerechtere Alternative“.
Die Fraktionen von SPD, Linke und Grünen nahmen Scheuerl krumm, dass er sich auf diese Weise engagierte. Passe dies doch auch zu seinem Beharren auf einen späten Anhörungstermin. Er habe die Frage, ob es Fristverlängerung gäbe, vorweg genommen, kritisiert Holster. Es gab, so Veit, die Sorge, ob überhaupt binnen der Vier-Monats-Frist eine Anhörung stattfinden würde.
Holster will nun erst mal mit der Initiative Gespräche führen. Eine Fristverlängerung sei vom Gesetz her nur für den Fall vorgesehen, dass man verhandle und dafür mehr Zeit benötige.
Walter Scheuerl bezeichnete dagegen die Verlagerung in den Verfassungsausschuss als „grottenmäßig“. „Das schreit nach einer verfassungsrechtlichen Überprüfung.“ Habe doch die Initiative das Recht auf eine „fachlich qualifizierte“ Anhörung. Auch würden die Rechte der Opposition ausgehöhlt, wenn die jeweilige Mehrheitsfraktion „ein unbequemes Anliegen des Volkes einfach in einen ihr genehmen, fachlich abwegigen Ausschuss überweist“.
Für die CDU-Schulpolitikerin Karin Prien geht es hier, „um eine der großen Schicksalsfragen für das Hamburger Schulsystem“. Die aus taktischen Gründen in einen anderen Ausschuss zu verlagern, sei „übers das Ziel hinausgeschossen“. Die Schulausschussmitglieder dürften an der Anhörung teilnehmen, hätten aber „keine Rechte“.
Das sieht man in der SPD anders. Alle Schulausschussmitglieder wären eingeladen, könnten sich zu Wort melden, und sofern sie einen anderen Abgeordneten vertreten, sogar mit abstimmen, sagt Veit. „Wir werden mehr Stühle brauchen.“
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