Volksentscheid zur Schweizer Luftwaffe: Erdkampftaugliche Kampfjets
Die Eidgenossen stimmen über die Anschaffung neuer Kampfflugzeuge ab. Woher ein möglicher Gegner für die Luftwaffe kommen soll, ist unklar.
Am 18. Mai stimmen die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über die Beschaffung von 22 Kampfflugzeugen aus Schweden ab. Das Flugzeug vom Typ Gripen gibt es zwar erst auf dem Papier, deshalb geht es im Mai nicht um einen realen Kauf, sondern um die Gründung eines Fonds von 3,126 Milliarden Franken aus Steuermitteln, mit denen ab 2016 der Gripen gekauft und 54 alte Flugzeuge vom Typ F-5 Tiger ausgemustert werden sollen.
Militärflugzeugbeschaffungen sind auf der ganzen Welt ein Gemisch aus Korruption (Starfighter), Kostenexplosion (Eurofighter) und Expertengezänk um Typenauswahl und militärischen Nutzen. Beim Gripen ist das auch der Fall, deshalb denunzieren die Befürworter der Beschaffung deren Gegner mit der Unterstellung, diese wollten nicht die Beschaffung eines neuen Flugzeugs verhindern, sondern die Armee abschaffen – die einzige heilige Kuh im Alpenland nach der stillen Beerdigung des Bankgeheimnisses und des Geschäftsmodells Steuerbetrug der Schweizer Banken.
Der Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP) bastelte den Refrain für den neuen hurrapatriotischen Ruf nach neuen Flugzeugen: „Niemand will in einem Haus ohne Dach wohnen.“ Vor 30 Jahren bemühte Christoph Blocher (SVP) die Metapher vom Dach, um gegen eine Flugzeugbeschaffung zu agitieren, und warf dem damaligen Verteidigungsminister vor, „ein goldenes Dach“ zu bestellen, bevor er das Haus gekauft“ habe und wisse, „ob das Geld für die Küche“ reiche.
Der militärische Zweck der Schweizer Luftwaffe ist umstritten. Übungen mit Schallgeschwindigkeit können wegen der dichten Besiedelung des kleinen Landes nur im Ausland (Texas, Schweden) abgehalten werden. Praktisch eingesetzt wird die Luftwaffe nur einmal im Jahr: zum Schutz der Prominenz und Halbprominenz, die sich beim kapitalistischen Hochamt des World Economic Forum in Davos trifft. Und wenn man zu den Beschaffungs- noch die Unterhaltskosten für die 22 Gripen-Flugzeuge hinzuzählt, kommt man auf Kosten von acht bis zehn Milliarden Franken für das neue Spielzeug der Militärs.
Nato-Ostgrenze verschoben
Bislang galt die Einsatzdoktrin, dass die Schweizer Luftwaffe mit ihren 86 Maschinen den Luftraum über der Schweiz verteidigen und sonst nur der Aufklärung aus der Luft dienen soll. Der Gripen soll dagegen auch „erdkampftauglich“ sein. Da fragt man sich natürlich, woher der Gegner zur Erde denn kommen soll. Aus Liechtenstein, Österreich, Deutschland, Frankreich oder Italien? Bevor der Eiserne Vorhang 1989 fiel, betrachteten Schweizer Militärs Österreich abschätzig als „Vorgarten der Russen“. Aber seither wurde die Ostgrenze der Nato zwischen dem Baltikum, Polen, Tschechien und Ungarn ein paar hundert Kilometer nach Osten verschoben. Dem Gripen fehlt auf dieser Welt schlicht ein realer Gegner.
Die Geschichte der Schweizer Luftwaffe ist geprägt von handfesten Skandalen und Komödien. Flugzeugbeschaffungen endeten oftmals desaströs. Die Eidgenossen wollten in den 50er Jahren ein eigenes Erdkampfflugzeug konstruieren. In Altenrhein am Bodensee wurden 1955 zwei Prototypen gebaut, die beide in den See stürzten. Das Millionenprojekt soff buchstäblich ab, danach bestellte man französische Mirages. Doch viel zu teuer, was Generalstabschef sowie Verteidigungsminister schließlich das Amt kostete. Statt 100 Maschinen beschaffte man nur 57.
Zu den Schweizer Luftwaffen-Spezialitäten gehört auch, dass die Armee bis 1995 an der militärischen Nutzung von Autobahnen als behelfsmäßige Start- und Landebahnen festhielt. Und bis 1998 an ihrem Geheimcode. Um Hörfehler in den lauten Kabinen zu vermeiden, entschied man sich für eine vokalreiche Sprache und wählte naheliegend das Italienische. Den Code nannte man „Bambini-Code“, demzufolge hießen eigene Flugzeuge „Angeli“ (Engel), fremde „Diaboli“ (Teufel). „Bambini“ (Kinder) bedeutete „an alle“ und „Vitamine“ (Verstärkung“). Mit „Ritorno Casino“ verabschiedeten sich Piloten auf die Ausgangsbasis und mit „Campari“ zum Auftanken. Der Ausgang der jetzigen Abstimmung gilt als völlig offen.
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