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Volksentscheid zu ReligionsunterrichtBerliner führen Glaubenskrieg

Wie hält der Hauptstädter es mit der Religion? Die Kirchen sammeln Unterschriften für Glauben im Schul-Stundenplan. Sie wollen mehr SchülerInnen für ihren Religionsunterricht.

Bei der Forderung nach mehr religiöser Bildung in der Schulen sind sie sich einig: EKD-Ratspräsident Wolfgang Huber (r) und Erzbischof Robert Zollitsch. Bild: dpa

BERLIN taz In der Hauptstadt stemmen sich die Kirchen gegen ihren Bedeutungsverlust. Mit einem Volksbegehren wollen sie erreichen, dass wieder mehr Schüler in den Religionsunterricht gehen. Der rot-rote Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) lehnt die Initiative ab.

In Berlin haben derzeit alle Kinder von der siebten bis zur zehnten Klasse Ethikunterricht als normales Unterrichtsfach. Die Schüler können sich dafür entscheiden, freiwillig und zusätzlich auch Religionsunterricht zu bekommen. Die Kirchen senden dazu Lehrer in die Schulen, der Senat bezahlt sie.

Aber der freiwillige Religionsunterricht ist nicht so gut besucht, wie die Kirchen sich das wünschen. Ihre Forderung: Kinder, die sich für Religionsunterricht entscheiden, sollen keinen Ethikunterricht mehr bekommen. Es gibt also nur entweder Religion oder Ethik - das soll Religion attraktiver für die Schüler machen und sie entlasten, argumentiert der evangelische Landesbischof Wolfgang Huber. Durch die Verkürzung der Schuljahre bis zum Abitur von 13 auf 12 seien die Stundenpläne voller geworden. Die Belastungsgrenze sei überschritten und "die langen Schultage gehen auf Kosten der ganzheitlichen Entwicklung", so Huber. Es werde für die Kinder durch die zwei Stunden Ethik pro Woche auch schwieriger, sich jenseits der Schule zu engagieren, etwa im Sportverein oder in einem Orchester.

Um das zu ändern, sammeln die Kirchen und andere Gruppen, die sich in der Initiative "Pro Reli" zusammengeschlossen haben, nun Unterschriften. Sie werben dabei damit, dass es nur mit ihren Vorschlägen eine "echte Wahlfreiheit" zwischen Religions- und Ethikunterricht gäbe. Inzwischen werben auch Prominente wie TV-Moderator Günther Jauch und Hertha-Kapitän Arne Friedrich für die Initiative.

Bis kurz vor Weihnachten hatte "Pro Reli" bereits 135.000 Unterschriften gesammelt. Damit stehen die Chancen gut, bis zum 21. Januar die Schwelle von 170.000 Unterschriften zu knacken. Die Unterschriftenlisten wurden allen Kirchenmitgliedern per Post zugeschickt, sie liegen auch bei Gottesdiensten aus. Im Juni soll es zum Volksentscheid kommen. Dessen Ausgang ist laut Umfragen offen.

SPD und Linkspartei, die in Berlin zusammen den Senat stellen, halten dagegen. Der gemeinsame Ethikunterricht für alle Kinder sei gut für die Stadt, argumentiert Abgeordnetenhauspräsident Walter Momper (SPD). Er helfe den Schülern unterschiedlicher Herkunft, sich zusammen mit den Grundwerten der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft auseinanderzusetzen, sich Grundwissen über Religionen und Weltanschauungen anzueignen sowie den Dialog mit Andersglaubenden und Andersdenkenden einzuüben.

Auch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) findet, das derzeitige Berliner Modell werde "den Anforderungen der heutigen Zeit stärker gerecht". Die Vorstellung, dass es Religion als ordentliches Unterrichtsfach geben solle, sei von einer christlichen Gesellschaft geprägt, die es aber in Berlin nicht mehr gebe. Auch die Grünen stehen auf der Seite des Senats. Sogar einige Geistliche, die sich in der Initiative "Christen pro Ethik" zusammengeschlossen haben. Zu ihnen gehört auch Pfarrer Stephan Frielinghaus vom Französischen Dom in Berlin. Er meint: Es sei doch wichtig, dass Jugendliche gemeinsam über Fragen wie Homosexualität, Abtreibung oder Patriotismus redeten, und nicht jede Gruppe für sich. Frielinghaus: "Kinder sollten beispielsweise über Homosexualität nicht nur etwas im islamischen Religionsunterricht erfahren."

Die CDU unterstützt dagegen "Pro Reli". Der Partei- und Fraktionsvorsitzende Frank Henkel warf dem Senat vor, "den Religionsunterricht an den Rand und damit letztlich aus der Schule zu drängen". Damit sei Rot-Rot auf einem "ideologisch motivierten Irrweg".

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7 Kommentare

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  • F
    Freya-Sophie

    Ich verstehe gar nicht, warum hier alle so gegen den Religionsunterricht schimpfen. Hat hier überhaupt einen Ahnung was in diesem Fach eigentlich gelehrt wird? Es ist lange vorbei, dass in Religion der Katechismus auswendig gelernt wurde, daher kann man nicht von "Zwangsindoktrination" sprechen. Heute spricht man auch über andere Religionen,über Sinnfragen usw. Zudem ist der Unterricht nicht dafür da den Kindern das Glauben zu lernen. Es geht vielmehr darum den Schülern unsere Kultur, die nun mal christlich geprägt ist, nahe zu bringen. Und das macht sich nun mal besser, wenn das von jemanden gemacht wird der den Glauben selber lebt.

  • U
    Urunkel

    @Hans Martin: Was du schreibst ist eine sehr interessante Unterstellung. Aber mit den Adresslisten der Kirchen kann man ja auch den anderen Weg gehen, indem man die Unterschriften beim Landeswahlleiter einfach wieder zurück zieht.

  • D
    Delfo

    Religion ist eine sehr einseitige Sache. Und wie weltoffen ein Reli-Lehrer ist bestimmt auch, zumindest in den ersten Schuljahren, massgebend den Glauben der Kinder.

     

    Weiterhin hat Glaube mit Religion grundsätzlich gar nichts zu tun.

     

    Glaube ist eine sehr persönliche Sache, während Religion Menschen mit dem gleichen Glauben zusammenbringt. Im Prinzip ist es also ein Verein.

    Der Eintritt in einen Verein ist immer freiwillig. Daher kann also niemand gezwungen werden, an einer Religion, ganz gleich welcher Couleur, teilzunhemen.

     

    Mir stellt sich die Frage, ob Religion in Zukunft überhaupt noch einen Platz haben wird. Mit der Globalisierung und der damit einhergehenden Durchmischung aller Kulturen wird ein religionsfreier Ethikunterricht extrem wichtig, weil jeder daran teilnehmen kann, ohne sich zu einer Religion bekennen zu müssen.

     

    Außerdem kann man Religion auch ganz gut ohne Kirche leben.

     

    Aber eine der wichtigsten Aufgaben des künftigen Ethikunterrichts ist es, die verschiedenen Religionen dieser Welt neutral und gleichberechtigt darzustellen ohne eine davon zu favorisieren.

  • HM
    Hans Martin

    Der Klerus wird erfolgreich sein! Bei diesem Volksentscheid werden erstmals die Unterschriften auch "auf der Straße" gesammelt. Der Landeswahlleiter überprüft nur die Gültigkeit der Personendaten (Adresse), nicht aber, ob die Person tatsächlich für "Religion statt Ethik" abgestimmt hat. Da die Kirchen umfangreiche Mitgliedskarteien haben, können sie sich die Unterschriften problemlos selbst herstellen, ohne frierend vor leeren Gotteshäusern herumlungern zu müssen. Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott.

  • LR
    leon renner

    die kirche vergisst zu erwähnen, dass der religionsunterricht - auch in westberlin - nie verpflichtend war. es geht also nicht um die revision einer verschlechterung, sondern darum, auf kosten des ethikunterrichts den status des religionsunterrichts zu verbessern (und damit den einfluß der kirche auszudehnen).

    soweit zur formalen argumentation - inhaltlich haben momper und körting hier mal alles notwendige gesagt.

  • K
    Karl

    Staatliche Strukturen haben primär auf sekularem Wege zu Schutz und Nutzen der Menschen da zu sein.

    Auch die Freiheit von Religion und gläubischen Fundamentalisten muß staatlicherseits garantiert werden.Versagt der Staat hier delegitimiert sich die Struktur selbst.

    Rechtsstaatlich demokratischen Ansprüchen wird eine Zwangsindoktrination nicht gerecht, sie steht diesen Ansprüchen diametral entgegen!

     

    Religion ist Privatsache und muss es auch bleiben!

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • TS
    Torben Schmidt

    "Kinder, die sich für Religionsunterricht entscheiden (...)"

     

    Pfui Teufel! Kinder sind noch keine mündigen Menschen. Sie brauchen Schutz und Begleitung auf dem Weg zu eigenverantwortlichen Individuen. Natürlich macht eine Zwangsindoktrination machtpolitisch Sinn und was liegt näher, als sich der Eltern zu bedienen, die man bereits Unterwerfung gelehrt hat.