Volksbegehrensbericht 2013: Demokratie wird immer direkter
Es gibt immer mehr Volksbegehren. Der Verein „Mehr Demokratie“ kritisiert dennoch die – je nach Bundesland – kaum erfüllbaren Voraussetzungen.
BERLIN taz | Die Chancen, dass eine Bürgerinitiative ihr politisches Ziel per Volksbegehren durchsetzen kann, sind gestiegen – jedenfalls statistisch. Im Jahr 2013 lag die Erfolgsquote aller Volksbegehren deutschlandweit bei 41 Prozent, sechs Prozent höher als 2012. Diese und weitere Zahlen hat der Verein „Mehr Demokratie“ am Mittwoch im Rahmen seines „Volksbegehrensberichtes 2013“ vorgestellt.
Zu den Spitzenreitern im Zeitraum 2004-2013 gehören die Bundesländer Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein. Dort wurde im Schnitt alle halbe Jahre ein Verfahren der Volksgesetzgebung (Volksinitiative oder Volksbegehren) auf den Weg gebracht. Dicht darauf folgen Bayern und Brandenburg, wo fast alle neun Monate ein Verfahren eingeleitet wurde.
Im Jahr 2013 gabe es bundesweit 9 neu eingeleitete, 21 laufende und 11 abgeschlossene direktdemokratische Verfahren. Zu den Top-Themen gehörten dabei Bildung und Kultur: 44 Prozent der Anliegen drehten sich um diese Themen. Mit 22 Prozent folgte der Bereich Wirtschaft, und mit je 11 Prozent die Themen Demokratie, Innenpolitik, Gesundheit, Umwelt- und Verbraucherschutz sowie Verkehr.
Der Bundesvorstandssprecher von „Mehr Demokratie“, Ralf-Uwe Beck, erkennt darin ein wachsendes Bewusstsein für direkte Demokratie in Deutschland. Dennoch, so Beck, bestehe noch ein „erheblicher Bedarf“. So hat in zehn Bundesländern noch nie ein Volksentscheid stattgefunden.
Ein Hauptproblem seien die unterschiedlichen Regelungen der Bundesländer. In Baden-Württemberg zum Beispiel liegt die Anzahl der Unterschriften, die gesammelt werden müssen, damit ein Volksbegehren Gültigkeit erlangt, bei 16,6 Prozent – und diese Zahl muss innerhalb von nur 14 Tagen erreicht werden. Nach Ansicht Becks eine viel zu kurze Zeit. Die Bürger wüssten von vornherein, dass diese Option gar keinen Sinn macht: „Hier werden Bürgerrechte nur vorgegaukelt.“ Ein Musterbeispiel aus Sicht des Vereins ist dagegen Brandenburg: Hier bedarf es lediglich circa 3,9 Prozent der Stimmen – in einer Frist von vier Monaten.
Für Länder mit sehr hohen Hürden fordert „Mehr Demokratie“ neue, anwendungsfreundliche Regelungen. Hoffnungen setzt der Verein etwa auf eine interfraktionelle Arbeitsgruppe in Baden-Württemberg. Sie erarbeitet derzeit Reformvorschläge, die 2014 umgesetzt werden sollen.
Bundesweite Enttäuschung
Enttäuscht äußerte sich der Autor des Volksbegehrensberichts, Frank Rehmet, darüber, dass es auf Bundesebene immer noch keine von „unten“ initiierte Volksgesetzgebung gibt – obwohl sich SPD und CSU während der letzten Koalitionsverhandlungen dafür ausgesprochen hatten. Das Vorhaben scheiterte dann an der CDU.
Für Rehmet ist das nicht nachvollziehbar: „Je selbstverständlicher in Kommunen und Ländern Volksbegehren sind, umso unverständlicher ist das Scheitern auf Bundesebene.“ Deshalb brauche es eine Grundgesetzänderung. Deutschland gehöre immer noch zu den wenigen europäischen Ländern ohne verfassungsrechtliche Grundlagen für Volksabstimmungen auf nationaler Ebene.
Immerhin gebe es Hoffnung, so Rehmet: Noch nie sei das Instrument des Volksentscheids bei Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene so ernsthaft in Erwägung gezogen worden wie im vergangenen Jahr.
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