Volksbegehren: Schulkampf auf dem Markt
Die Primarschulgegner bieten Sammlern einen Euro pro Unterschrift. Am Sammeltisch in Volksdorf gab es Diskussionen. Protestaktion in der City verlief friedlich.
Das Kinn und der silbergraue Haarschopf von Sky Dumont schimmerten an den Rändern noch durch. Mit weiß überpinselten Masken zogen gestern Nachmittag rund 60 Gegner des Volksbegehrens "Wir wollen lernen" zu dessen Kampagnenbüro an der Lilienstraße. "Soziale Spaltung wollen wir, eure Kinder kriegen Hartz IV", riefen die teils mit Anzügen verkleideten Mitglieder der Jungen GEW. Einige rauchten Zigarren oder trugen Gucci-Brillenimitate, um die Klientel zu karikieren, die sie hinter dem Volksbegehren vermuten.
Wie berichtet war den Organisatoren von Juristen der Kanzlei Graf von Westphalen verboten worden, Sky Dumont auf den Masken zu zeigen. Vor dem Büro führte dann ein junger Mann mit Porschebrille einen Trampeltanz auf Pappschildern mit der Aufschrift "unten" vor. Das Büro war unbesetzt. Den von Kampagnenleiter Frank Nebelung gestern noch versprochenen Kaffee gab es nicht für die Kritiker. "Euch sind wohl die Euros ausgegangen, weil ihr so viel Stimmen kauft", höhnte ein Demonstrant.
Der taz liegt die Job-Anzeige der PR-Agentur NEST one vor, in der "dringend Promoter gesucht" werden, die an der Unterschriftensammlung teilnehmen. Unter "Bezahlung" heißt es dort, es gebe "1 Euro pro Unterschrift", oder alternativ fünf Euro pro Stunde "fix" und 5 weitere Euro ab der 10. Unterschrift.
"Ja, das ist von uns", bestätigt NEST one-Mitarbeiter Marcel Hylla der taz, verweist für Einzelheiten aber auf den Verein des Volksbegehrens. Deren Kampagnenleiter Nebelung hatte am Donnerstag eingeräumt, dass es "ungefähr 20" bezahlte Studenten gebe, über die Bezahlung aber keine Auskunft erteilt.
Auf Welt online beschwerten sich Leser, sie seien bereits am 27. Oktober, also einen Tag vor dem Start, von Unterschriftensammlern belästigt worden, einer sogar an der Haustür. Landeswahlleiter Asmus Rösler hat keine Kenntnis davon. Sollte es einzelne Unterschriften mit verfrühtem Datum geben, wären die ungültig. Für das ganze Volksbegehren hätte dies keine Folgen.
Nicht bezahlte Kräfte, sondern überzeugte Eltern und Großeltern sammelten gestern früh auf dem Wochenmarkt in Volksdorf. "Das läuft gut. Die Leute sind informiert, die haben das ja heute Radio gehört", sagt ein Vater. "Wir wollen lernen" hat Geld für Radiospots. Vor allem ältere Leute unterschreiben. "Es ist ein Verbrechen an der Gesamtheit der Schüler, wenn sie nicht lernen dürfen. Das stand in der Zeitung", sagt eine Frau, Geburtsjahr 1928. Sie erzählt von den "Bombenkindern" die nach dem Krieg in ihre Klasse kamen. "Das hat auch nicht funktioniert."
Doch es gibt auch Widerspruch. "Ich bin für die Reform", sagt ein Großvater und berichtet von seinem Enkel, der vom Gymnasium runter musste und in Volksdorf keine Gesamtschule fand. "Bis nach Barmbek muss der jetzt." Auch eine engagierte Lehrerin mischt sich ein und verwickelt eine Sammlerin in eine Diskussion über die Chancen individueller Förderung. Überzeugt ist die Mutter 40 Minuten später nicht, aber gesammelt hat sie in dieser Zeit auch nicht.
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