Volksbegehren in Brandenburg: "Der Tagebau hat keine Zukunft"

In Brandenburg wird aus erneuerbaren Energieträgern genug Strom fürs ganze Land erzeugt, sagt Wolfgang Mädlow. Der Landtag stimmt heute über eine Volksinitiative gegen neue Tagebaue ab.

Faszinierend nur für Techniksfreaks: Braunkohlebagger graben Brandenburg um Bild: AP

Die Brandenburger Landesregierung will auch über das Jahr 2030 hinaus an der Stromgewinnung aus Braunkohle festhalten. Um es konkret zu machen, hat sie dem Energiekonzern Vattenfall bereits drei neue Tagebaufelder in Aussicht gestellt: in Jänschwalde-Nord, in Spremberg-Ost und in Bagenz-Ost. Dagegen wehrt sich die Initiative "Keine neuen Tagebaue". 26.574 Unterschriften sammelten die Braunkohlegegner bis Ende April in einer Volksinitiative. 20.000 wären für die Gültigkeit nötig gewesen. Am heutigen Donnerstag stimmt nun der Brandenburger Landtag über die Initiative ab. Dabei gilt ein Nein als sicher. Schließlich hat der zuständige Infrastrukturausschuss in der vergangenen Woche die Ablehnung empfohlen. Damit geht es für die Braunkohlegegner in die nächste Phase: Mit einem Volksbegehren wollen sie die Pläne von Vattenfall und der Landesregierung verhindern. Dafür sind 80.000 Unterschriften in vier Monaten notwendig.

taz: Herr Mädlow, bei Ihnen werden heute wohl die Sektflaschen im Schrank bleiben …

Wolfgang Mädlow: Das müssen wir befürchten.

Derzeit sieht alles danach aus, dass der Landtag in Brandenburg Ihre Volksinitiative ablehnt.

Ja, die Empfehlung des Infrastrukturausschusses geht in diese Richtung. Wir hatten natürlich erwartet, dass das passieren würde, obwohl wir uns erhofft hatten, dass es vorher noch stärker zu einer inhaltlichen Diskussion kommt.

Die Begründung des Ausschusses lautete: Das "energiepolitische Gleichgewicht zwischen Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umwelt und Klimaverträglichkeit zu erhalten" würde dadurch gefährdet. Können Sie das nachvollziehen?

Nein. Es gibt verschiedene Szenarien, die zeigen, wie man den Energiebedarf decken kann. Das geht auch mit einem mittelfristigen Verzicht auf die Stromgewinnung aus Braunkohle. Natürlich mit mehr erneuerbaren Energien. Wichtig ist, dass man frühzeitig Zeichen setzt.

Sie haben mit der Volksinitiative den Ausstieg aus der Braunkohle bis 2050 gefordert.

Wir haben gesagt, wir wollen, dass keine neuen Tagebaue mehr genehmigt werden. Die, die jetzt schon bestehen, sollen auch noch genutzt werden können. Wie lange noch, hängt davon ab, wie viel Kohle man da in welcher Zeit noch herausholt. Wenn man das streckt, kann das noch bis 2050 dauern.

Atomausstieg, Braunkohleausstieg - dass beides bis 2050 geht, bezweifeln sogar Umweltschützer.

Zumindest in Brandenburg ist das aber realistisch: Schon heute wird hier so viel Strom aus erneuerbaren Energieträgern produziert, dass damit der gesamte Bedarf gedeckt werden könnte.

Vattenfall argumentiert mit den Arbeitsplätzen, die entstehen würden - in einer strukturschwachen Region …

Das ist natürlich das Hauptargument. Aber wir stellen fest, dass gerade im Bereich der erneuerbaren Energien viele Arbeitsplätze entstehen. Wir sehen auch, dass im Bergbau die Zahl der Arbeitsplätze ohnehin rückläufig ist. Für den Bergbau gibt es mittel- und langfristig keine Perspektive.

Dazu kommt noch das Argument der Umsiedlung. Allerdings: Perspektivisch geht der Trend dahin, dass Menschen vom Land in die Stadt ziehen.

Es ist aber schon ein Unterschied, wenn die Heimat der Menschen unwiederbringlich zerstört wird. Sie haben dann nicht mal die Möglichkeit, wieder zurückzukommen, wenn sie das wollten. Und wir müssen auch davon ausgehen, dass, wenn in neue Kraftwerke investiert werden soll, es immer neue Dörfer treffen wird - trotz aller Versprechungen, die gemacht werden. Dazu kommt: Wenn jetzt die Zukunft der Region unklar ist, investiert auch niemand. Wer soll sich da ein Haus kaufen, wenn man nicht weiß, ob das Gebiet bald eine Kohlegrube ist?

Der nächste Schritt ist das Volksbegehren: 80.000 Unterschriften innerhalb von vier Monaten. Das sind dreimal so viele, wie sie bis jetzt gesammelt haben. Ist das realistisch?

Wir sind optimistisch, das zu schaffen. Schließlich hätten wir im Rahmen der Volksinitiative noch mehr Unterschriften sammeln können.

Geht denn der Zuspruch über die betroffene Region Lausitz hinaus?

Die größten Aktivitäten bei der Volksinitiative kamen jetzt aus der Region. Wir haben aber auch gemerkt, dass wir in dem Moment, in dem wir das Thema ansprechen, auch in anderen Regionen viel Sympathie und Interesse bekommen. Beispielsweise kamen im Prenzlau allein innerhalb eines Tages 500 Unterschriften zusammen.

Die Brandenburger könnten auch etwas tun, indem sie weniger Energie verbrauchen. Damit würden neue Kraftwerke überflüssig werden.

Ja, das ist ein wichtiger Schritt. Aber auch hier müssen die Rahmenbedingungen von der Politik kommen, zum Beispiel mittels stärkerer Unterstützung bei der energetischen Sanierung.

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