Völkermordprozess Ruanda: 25 Jahre Haft in Frankreich

Der erste Prozess in Frankreich wegen des Genozids in Ruanda geht mit hartem Urteil gegen einstigen Vertrauten des ruandischen Präsidenten zu Ende.

Sitzplatz des Angeklagten Pascal Simbikangwa. Bild: reuters

BERLIN taz | 25 Jahre Haft – mit diesem Urteil ist der erste Prozess in Frankreich wegen des Völkermordes in Ruanda zu Ende gegangen. In der Nacht zum Samstag sprach ein Gericht in Paris den ehemaligen ruandischen Armeekapitän Pascal Simbikangwa des Völkermordes sowie der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslage Haft gefordert, die Verteidigung Freispruch.

Der Prozess gegen Simbikangwa war von besonderer Bedeutung, weil Frankreich dem für die Massaker an mindestens 800.000 Tutsi in Ruanda im Jahr 1994 verantwortlichen ruandischen Staatsapparat besonders nahe stand und bisher noch nie einen Verantwortlichen vor Gericht gestellt hatte, obwohl unzählige Führungsfiguren seit 1994 von Frankreich aufgenommen worden sind oder von französischen Militärs aus Ruanda exfiltriert worden waren. Dass er überhaupt vor Gericht kam, ging denn auch nicht auf die französischen Justizbehörden zurück, sondern auf die zivile Klage des Opferschutzverbandes CPCR (Collectif des Parties Civiles pour le Rwanda), das seit Jahren die französische Mitverantwortung für den Genozid aufzuklären versucht.

So wurde dieser Prozess von Anfang an von viel mehr Öffentlichkeitsarbeit begleitet als der erst im Februar zu Ende gegangene erste Prozess in Deutschland wegen Völkermordes in Ruanda. Das CPCR richtete eine Webseite ein, um die Verhandlung minutiös zu dokumentieren, und es gab seit der Prozesseröffnung am 4. Februar breite Aufmerksamkeit seitens der französischen Medien.

Auch in anderen Dingen unterschied sich der erste französische Ruanda-Völkermordprozess vom ersten deutschen Ruanda-Völkermordprozess, der am 18. Februar mit der Verurteilung des ruandischen Exbürgermeisters Onesphore Rwabukombe zu Ende ging: der deutsche Prozess dauerte über drei Jahre, der französische sechs Wochen; und Simbikangwa nahm anders als der schweigende Rwabukombe aktiv an den Verhandlungen teil.

Eindeutige Rolle

Das nützte ihm allerdings wenig. Simbikangwas Rolle war zu eindeutig. Obschon seit 1986 aufgrund eines Autounfalls an den Rollstuhl gefesselt, war der heute 54jährige eine der mächtigsten Figuren im engsten Umfeld des damaligen ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana. Simbikangwa war eine hohe Figur im damaligen ruandischen Militärgeheimdienst und Aktionär des Extremistenradiosenders „Mille Collines“ das zum Genozid aufrief. Er wurde bereits vor April 1994 von Menschenrechtsgruppen als Organisator von Todesschwadronen und als Folterer genannt.

Während des Genozids, so befand jetzt das Gericht in Paris, „trug Simbikangwa aktiv zum Funktionieren der mörderischen Straßensperren in Kigali bei, indem er Waffen lieferte und Instruktionen gab, wonach Tutsi systematisch und unverzüglich hinzurichten seien, im Hinblick auf die völlige Zerstörung dieser ethnischen Gruppe, die angeblich für den Tod von Präsident Habyarimana verantwortlich war und daher in seinen Augen den Feind darstellte, den es auszulöschen galt, im Rahmen eines konzertierten Plans, vor allem durch das sorgfältige Organisieren von Straßensperren in der gesamten Stadt und die systematische Durchsuchung von Häusern, die Tutsi aufnehmen konnten.“ Das französische Gericht bestätigte in seinem Urteil damit auch die systematische und geplante Natur des ruandischen Völkermordes – das wird von Freunden der Völkermordverantwortlichen bis heute bestritten.

Simbikangwa selbst hatte vor Gericht gelogen. Erst behauptete er, er sei während des Völkermordes gar nicht in Kigali gewesen; dann, dass er nie sein Haus in Kigali verlassen hätte; dann, dass er nur hinausgegangen sei, um Tutsi in Sicherheit zu bringen. Aber ehemalige Hutu-Milizionäre sagten aus, sie hätten sich ihre Waffen in Simbikangwas Haus abgeholt und hätten ihn selbst an der nahegelegenen Straßensperre „Barrière des Chinois“ im Stadtviertel Kiyovu von Kigali beim Waffenverteilen gesehen. Auch seine Leibgarde habe mitgemordet.

Simbiknagwa war nach dem Völkermord nach Kenia und dann nach Kamerun geflohen und wurde erst 2008 auf der zu Frankreich gehörenden Komoreninsel Mayotte festgenommen, wo er sich unter falschem Namen aufhielt – da war er bereits von Interpol gesucht. Die französischen Behörden lehnten zunächst sowohl seine Auslieferung nach Ruanda ab als auch die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn; 2009 erhob daher das Opferkollektiv CPCR gegen ihn Klage in Frankreich, und er kam dort in Untersuchungshaft. Seine Verurteilung jetzt erfolgt wenige Wochen vor den Gedenkfeiern zum 20. Jahrestag des Genozids in Ruanda.

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