Völkermordpropaganda in der DR Kongo: „Wenn Sie eine Tutsi zur Frau nehmen, müssen Sie aufpassen“
In Kongos Staatsfernsehen gibt der Armeesprecher Gedankengut der Täter von Ruandas Völkermord an den Tutsi 1994 wieder. Die Empörung ist groß.
Der Interviewer und sein Gesprächspartner verstehen sich offensichtlich prächtig. „Wenn Sie eine Tutsi zur Frau nehmen, müssen Sie aufpassen“, sagt der Gesprächspartner. „Ach ja?“, fragt der Interviewer und hört gebannt zu. „Ja, man muss aufpassen“, erläutert der Interviewpartner: „Man gibt Ihnen eine Frau, aber dann empfangen Sie ein Familienmitglied, einen Cousin, einen Neffen, der zu Ihnen nach Hause kommt – aber er ist kein Neffe, kein Cousin, er ist derjenige, der Ihrer Frau in Ihrem Haus die Kinder macht, und man wird sagen, dass die Kinder Tutsi sind, weil die Tutsi-Rasse überlegen ist. Es ist perfide.“
„Oh, das ist sehr gefährlich“, sagt der Interviewer. „Mein General, wollen Sie sagen, dass die Ruander heute zu allem fähig sind? Weil Sie von ihrer Kultur sprechen, von Lüge, von Perfidie, Nichteinhalten von Zusagen?“ – „Ja, Ruanda ist zu allem fähig, und die ruandischen Machthaber sind entschlossen, die Demokratische Republik Kongo zu destabilisieren“, antwortet der Gesprächspartner. „Wir haben nur dieses Land und wir müssen es schützen, und wir müssen die Augen öffnen, weil die Ruander nie aufgeben.“
Dieses Gespräch lief am vergangenen Samstag zur besten Sendezeit im Staatsfernsehen der Demokratischen Republik Kongo (RTNC). Der Interviewer war ein RTNC-Journalist, sein Gesprächspartner der Sprecher von Kongos Armee, General Sylvain Ekenge. In Uniform und unwidersprochen breitete das öffentliche Gesicht von Kongos Militär ein Gedankengut aus, das man von so hoher Stelle schon lange nicht mehr gehört hat – das Gedankengut, das den Völkermord an den Tutsi in Ruanda 1994 legitimierte.
In dieser Weltsicht, die einer längst widerlegten kolonialen Rassenlehre entstammt, sind Tutsi Fremde, die die braven Indigenen mit List und Tricks unterjochten und die man ausrotten muss, damit man zur Freiheit findet. Das flößten in Ruanda in den Jahren vor 1994 Völkermordpropagandisten der Hutu-Bevölkerung ein und verbreiteten es über Hetzmedien. Die berüchtigten „Zehn Gebote“ aus dem „Appell an das Bewusstsein der Hutu“, den die radikale Zeitung Kangura Ende 1990 veröffentlichte, beginnen mit dem Gedanken, den Kongos General Ekenge weitergesponnen hat: „Jeder Hutu muss wissen, dass die Tutsi-Frau, egal wo sie ist, für ihre Tutsi-Ethnie arbeitet.“ Man müsse „wachsam“ bleiben und kein Hutu dürfe in irgendeinem Zusammenhang mit Tutsi verkehren, ist die Botschaft der „Zehn Gebote“.
TV-Auftritt schockiert Kongos Öffentlichkeit
Dieses Denken, das alle Tutsi zum auszumerzenden Feind erklärt, nahmen die Hutu-Täter des Völkermords 1994 mit in die DR Kongo, als sie Ruanda an die Tutsi-geführte RPF (Ruandische Patriotische Front) unter Präsident Paul Kagame verloren. Einige von ihnen kämpfen bis heute im Rahmen der Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) zusammen mit Kongos Armee – nicht nur militärisch, auch ideologisch, wie es Ruanda sowie die Tutsi-geführte Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März) schon lange behaupten.
Der TV-Auftritt schockiert Kongos Öffentlichkeit – auch jene Teile, die ansonsten Ruanda und der M23 den Kampf ansagen. Die Bürgerrechtsgruppe La Lucha erklärt: „Dieser ‚General‘ muss für seinen Hassdiskurs gegen kongolesische Bürger bestraft werden, vor allem, weil er dem Aggressor dient, der behauptet, Tutsi zu retten.“
Am Montagvormittag reagiert die Armeespitze: General Ekenge ist seinen Job los. „Der Generalstab ruft die gesamte Bevölkerung zur Einheit, zum Zusammenhalt und zur Zurückweisung von Hassrede auf“, heißt es. Am Nachmittag folgt das Staatsfernsehen RTNC und setzt seinen Direktor Oscar Mbal ab, weil er die Ausstrahlung zuließ.
Zugleich aber tut sich Kongos Armee schwer, die Zusammenarbeit mit Milizen zu beenden, die im Osten des Landes Tutsi jagen. Der ehemalige Minister Jean-Claude Kibala hält Ekenges Auftritt symptomatisch für das Scheitern der Regierung von Präsident Félix Tshisekedi: „Man will Hass verbreiten, um Versagen zu verbergen“, schreibt Kibala und sagt voraus: „Dieses Regime wird spätestens 2028 fallen, und Kongo wird mit seiner reichen und legendären ethnischen Diversität aufstehen, in Frieden, Gerechtigkeit und Würde. Denn man kann nicht eine Nation auf Lüge, Hass und Unfähigkeit aufbauen.“
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