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Völkermord an den ArmeniernProtest gegen Bundestags-Resolution

Türkische Organisationen wollen verhindern, dass der Bundestag eine Resolution zum Völkermord an den Armeniern verabschiedet.

Vertreter der türkischen Gemeinde protestieren gegen eine Bundestags-Resolution zu Armenien (Archivbild von 2005) Foto: dpa

Berlin afp | Im Vorfeld der geplanten Bundestagsabstimmung zu Armenien ruft ein breites Bündnis türkischer Verbände und Organisationen zu Protesten auf. Am Samstagnachmittag soll in Berlin eine Demonstration stattfinden, um gegen die Einstufung der Massaker an den Armeniern in der heutigen Türkei im Ersten Weltkrieg als „Völkermord“ zu protestieren. „Bundestag ist nicht zuständig. Parlamente sind keine Gerichte“, steht auf dem Plakat zur Demonstration, das AFP vorlag.

Hinter dem Aufruf zur Demonstration stehen mehr als ein Dutzend türkische Verbände und Organisationen, darunter die Türkische Gemeinde Berlin, die AKP-nahe Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) und die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib).

Zudem werden in einem Schreiben türkische Mitbürger aufgefordert, per Fax oder Email an die Bundestagsfraktionen ihren Protest gegen die geplante Resolution auszudrücken. Es sei „unhaltbar“, wenn der Bundestag die Ereignisse von 1915 im Osmanischen Reich als „Völkermord“ deklariere, heißt es in dem Schreiben, das an die Fraktionen geschickt werden soll. Es sei nicht Sache der Politik, über umstrittene historische Ereignisse zu entscheiden. Dafür seien Gerichte zuständig.

Im Falle der Anerkennung eines Völkermordes durch den Bundestag würden „nicht nur die Beziehungen zwischen der deutschen und türkischen Regierung schwer belastet, sondern auch die Beziehungen zwischen dem deutschen und dem türkischen Volk“, heißt es weiter in dem vorformulierten Schreiben, das an die Fraktionen geschickt werden soll.

Ein solcher Beschluss wäre „Gift für das friedvolle Zusammenleben zwischen Deutschen und Türken“, damit würde „nur Öl ins Feuer gegossen“.

Bei der Vertreibung der Armenier aus Anatolien in den Jahren 1915 bis 1917 waren bis zu 1,5 Millionen Menschen gestorben. Armenien und viele internationale Historiker stufen die damaligen Verbrechen als Völkermord ein, was die Türkei strikt ablehnt. Ankara hatte in den vergangenen Jahren mit scharfer Kritik und diplomatischen Schritten auf die Anerkennung des Völkermordes im Ausland reagiert.

Die für den 2. Juni geplante Bundestagsresolution hatte vergangene Woche bereits der Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisiert. Den Vorwurf des Völkermordes zu verbreiten, ohne dafür Beweise vorzulegen, komme einer politischen Ausbeutung des Themas gleich, sagte er.

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3 Kommentare

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  • Wir Deutsche haben die historische Schuld des Holocaust auf uns genommen. Wir haben größtenteils aus unserer Geschichte gelernt. Wer von uns nicht zu unserer Vergangenheit stehen will, hat möglicherweise nicht die Kraft dazu, damit zu leben. Möglicherweise haben auch das Elternhaus und dessen Umfeld und schließlich Lehrer, die immer wieder in die Spuren ihrer eigenen Sozialisierung der 30er- und 40er-Jahre "hinein rutschten", eine Verfestigung erzielt, die in diesen Menschen eine hartnäckige Überzeugung hinterließ, "völlig unberechtigt und unschuldig" mit verurteilt zu werden für etwas, das sie weder miterlebt hatten, noch dessen sich ihr unmittelbares Umfeld schuldig bekennen wollte oder konnte.

     

    In einer ähnlichen Haltung sehe ich heute die AKP-Anhänger und einen großen Teil der türkischen Bevölkerung - nicht in der Lage, der Geschichte ins Auge zu sehen, die ihre Eltern und Großeltern verbergen. Sie befinden sich in einem schwierigen Zwiespalt. Wenn sie denken, das Urteil mögen Gerichte fällen, dann liegt das in ihrem Ermessen. Deutschland war meines Wissens damals Partner und Mitwisser der türkischen Politik und verfügt somit über solides Material, das der Wahrheitsfindung dienen kann, so man sie wissen möchte und ertragen kann.

     

    Indessen ist meine Meinung, dass wir nicht ohne Notwendigkeit* eine Resolution zur Anerkennung eines Armenier-Genozides erlassen würden, wenn die vorliegenden historischen Unterlagen nicht ausreichend beweiskräftig wären.

     

    Weiter ist es nicht Sache der türkischen Regierung, mit ihrer Sicht der Geschichte in unsere Schulbücher hineinreden zu wollen. Allzu schnell ist doch die Türkei bereit, sich unsere "Einmischung in innere Angelegenheiten" zu verbitten. Nicht nur, aber auch unsere Lehrbücher sind aus meiner Sicht eine innere deutsche Angelegenheit.

     

    *der Wahrheit und Gerechtigkeit

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @noevil:

      Ihr text lässt sich auch zusammenfassen "We killed the jews, so we have the moral high ground!"

      • @4845 (Profil gelöscht):

        Wenn bei uns Geschichte geklittert würde, dann hätte ich auch bei uns etwas dagegen, sofern es mir bekannt würde. Daher sehe ich keinen Grund mich moralisch über jemanden zu erheben. Sie irren sich.

         

        Übrigens fallen mir, wie ich in jüngster Zeit der Presse entnehme, derartige Versuche der neuen polnischen Regierung auf...