Völkermord-Gedenken in Srebrenica: Serbiens Regierungschef macht mit
Serbiens Regierungschef Vucic reist zum Gedenken nach Srebrenica – weil eine UN-Resolution aufgeschoben wurde, die das Massaker als Genozid einstuft.
Aber natürlich wird die Haltung der serbischen Regierung zu Srebrenica bei den Gesprächen in Belgrad eine Rolle spielen müssen. Kurz vor dem Besuch der Kanzlerin kündigte der serbische Regierungschef Aleksandar Vučić an, dass er nun doch an der Gedenkfeier zum 20. Jahrestag des Völkermords in Srebrenica teilnehmen wolle, nachdem er wochenlang unentschieden gewesen war.
Diplomatische Kreise sehen dies als eine Geste des guten Willens an, will sich doch der ehemalige nationalistische Extremist Aleksandar Vučić als proeuropäischer Politiker profilieren. Nicht nach Srebrenica zu fahren hätte nicht nur bei der deutschen Delegation, sondern auch international den Eindruck hinterlassen, Vučić leugne wie der größte Teil der politischen Elite Serbiens die serbische Verantwortung für die Verbrechen in Srebrenica.
Allerdings besteht Vučić nach wie vor darauf, die Ereignisse dort als „Kriegsverbrechen von Einzelnen“ einzustufen und nicht als „Völkermord“ wie der Internationale Gerichtshof in Den Haag. Das Verhalten der serbischen Regierung und des Präsidenten Tomislav Nikolić in Bezug auf eine Resolution, die Großbritannien in den UN-Sicherheitsrat eingebracht hatte, zeige, so britische Quellen aus Sarajevo, wie schwer sich Serbien nach wie vor mit der Bewältigung der eigenen Vergangenheit tue.
Auf Druck der Serbien unterstützenden Veto-Macht Russland wurde die Verabschiedung der Resolution auf Mittwoch verschoben. Doch eigentlich rechnet niemand mehr damit, dass die russische Seite nachgeben wird. Die Formulierung „Völkermord“ soll nach russischer Meinung aus der Resolution entfernt werden.
Merkel muss Blockadehaltung ansprechen
In dem britischen Entwurf wird eine Anerkennung des Kriegsverbrechens als „eine Voraussetzung für die Versöhnung“ in Bosnien bezeichnet. Diejenigen, „die wegen schwerer internationaler humanitärer Menschenrechtsverletzungen im Bosnien-Konflikt“, wie etwa des „Genozids von Srebrenica“, beschuldigt würden, müssten juristisch verfolgt werden, heißt es in dem Text. Außerdem enthält der Entwurf die Forderung, Lehren aus dem Versagen der Vereinten Nationen zu ziehen, die das Massaker von Srebrenica nicht verhindert hatten.
Ob die Kanzlerin der Aufforderung der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ folgen wird, bei den Gesprächen in Sarajevo für einen Sonderstatus der in der serbischen Teilrepublik liegenden Gemeinde Srebrenica zu werben, sei dahingestellt. Sicher ist, dass Merkel die Blockadehaltung der bosnisch-serbischen und bosnisch-kroatischen Politiker bei der Umsetzung der deutsch-britischen Initiative zur Reform der Wirtschaft in Bosnien und Herzegowina ansprechen muss.
Der serbische Regierungschef Aleksandar Vucic nimmt an der Gedenkfeier zum 20. Jahrestag des Völkermordes in Srebrenica teil. Er werde am kommenden Samstag in den kleinen Ort nach Ostbosnien reisen, kündigte Vucic am späten Dienstag in Belgrad an.
8.000 muslimische Jungen und Männer
Dort hatten serbisches Militär und Paramilitärs ab dem 11. Juli 1995 am Ende des Bürgerkrieges (1992-1995) rund 8.000 muslimische Jungen und Männer ermordet. Internationale Gerichte hatten dieses Massaker als Völkermord klassifiziert. Serbien spricht lediglich von einem Kriegsverbrechen und verweist auf Opfer in den eigenen Reihen.
Voraussetzung für die Reiseentscheidung war offenbar, dass eine britische Resolution zu Srebrenica im UN-Sicherheitsrat am Dienstag auf Mittwoch vertagt worden war. Serbien war dagegen Sturm gelaufen, weil damit seine Landsleute als Völkermörder abgestempelt würden, hatten serbische Spitzenpolitiker argumentiert.
Russland hatte einen eigenen Entwurf vorgelegt, in dem der Genozid nicht erwähnt wird, jedoch die Verbrechen aller Seiten verurteilt werden. Vucic erklärte, Moskau habe ihm versichert, dass die britische Resolution auch am Mittwoch in New York keine Chancen habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt