Vivantes sieht sich als politischer Spielball: Krankenhäuser dringen auf Behandlung jedweder Art
Der kommunale Krankenhauskonzern dringt auf eine politische Entscheidung über seine Zukunft und übt den Schulterschluss mit der Charité. Warnung vor Investitionsstau.
![](https://taz.de/picture/312640/14/kh_02.jpg)
Das Warten auf die Diagnose ärgert Joachim Bovelet sichtlich. "Wir brauchen eine schnelle Entscheidung - egal, ob es eine gute oder eine schlechte für die jeweilige Seite ist", sagte der Chef des Krankenhauskonzerns Vivantes am Montag. Die Klinikbetriebe müssten aus der Beliebigkeit haushaltspolitischer Spielereien herauskommen. Bovelet schlug damit in dieselbe Kerbe wie sein Kollege Karl Max Einhäupl von der Charité: Beide wollen wissen, welche Zukunft der Senat für die Krankenhäuser entwirft. Seit Monaten kursieren Gerüchte über Schließung, Zusammen- und Verlegung von Standorten. Vor einer Entscheidung aber drücken sich die politisch Verantwortlichen - und provozieren damit einen Investitionsstau und Finanzlücken.
Klar ist, dass sich Vivantes und die landeseigene Charité in ihrer jetzigen Form nicht dauerhaft halten können. Der Vivantes-Konzern mit seinen 13.000 Mitarbeitern steht dabei wirtschaftlich gut da. Im vergangenen Jahr schrieb das Unternehmen erneut schwarze Zahlen, der Umsatz stieg, mit 93 Millionen Euro investierte Vivantes fast doppelt so viel wie im Vorjahr. In diesem Jahr will der Konzern bis zu 70 Millionen Euro in seine medizinischen Einrichtungen stecken. Schon im kommenden Jahr aber würde es eng. "Dann brauchen wir andere Finanzierungsquellen", warnte Finanz-Geschäftsführer Peter Schnitzler.
Beim defizitären Uni-Klinikum Charité ist die Lage brisanter, dort sind manche Gebäude schon jetzt marode. Die Charité hat dabei 2009 nach einem rigiden Sparkurs ihren Verlust auf 19 Millionen Euro begrenzt. Mittelfristig sind sowohl bei Vivantes als auch bei der Charité hunderte Millionen Euro Investitionen nötig - die das Land Berlin nicht wird stemmen können.
Dazu belastet die Unsicherheit Mitarbeiter und Management: Das Auguste-Viktoria-Klinikum (AVK) in Schöneberg etwa ist das wirtschaftliche Zugpferd von Vivantes. Doch seit Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) laut überlegt hat, den Standort zu schließen und im Gegenzug das nahe Charité-Klinikum Benjamin Franklin zu stärken, hat Vivantes einen Investitionsstopp über das AVK verhängt.
Das Verhältnis zwischen den eigentlich konkurrierenden Häusern scheint sich in der Not entspannt zu haben. Bovelet sprach von erfolgreicher Kooperation in Teilbereichen und konstruktiven, regelmäßigen Gesprächen. Er erwähnte auch ein zwischen Charité und Vivantes abgestimmtes Papier, nach dem eine Fusion allein 45 Millionen Euro durch Synergien in der Verwaltung freisetzen würde. Ob ein Zusammenschluss sinnvoll sei, wollte der Vorsitzende der Vivantes-Geschäftsführung indes dahingestellt sein lassen.
Bliebe Vivantes als Einzelkonzern bestehen, sei die Umwandlung in eine kommunale Aktiengesellschaft (AG) denkbar, sagte Bovelet stattdessen. Vivantes käme als AG zu frischem Kapitel, könnte Kliniken zukaufen und damit den Umsatz ankurbeln. Anteilseigner könnten zunächst Land und Kommune werden; an die Börse müsste Vivantes als Aktiengesellschaft nicht zwangsläufig. Eine Alternative wären womöglich zinsverbindliche Kommunaldarlehen, um städtische Vorsorge jenseits privater Kliniken zu betreiben.
All diese Vorschläge bleiben indes Fantasien, solange die Politik zögert. Kritiker fürchten, dass vor den Parlamentswahlen im Herbst 2011 gar nichts mehr passiert - und danach Monate vergehen, bis die Politiker sich Sachthemen widmen. Die Verwaltung tat am Montag nichts, diese Szenarien zu entkräften. "Es gibt keine Bewegung bei diesem Thema, keine Einigkeit und keinen Termin", sagte eine Sprecherin der Senatsgesundheitsverwaltung. Geplant ist bislang, dass die Senatoren für Finanzen, Gesundheit und Wissenschaft den Abgeordneten im Juni ein gemeinsames Strategiepapier für die Zukunft von Vivantes und Charité vorlegen. Ob sich daran mehr als ein paar Diskussionen anschließen, die die Sommerpause dann ohnehin abwürgt, ist fraglich.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!