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Vietnamesen in BerlinDie Community ist verunsichert

Nach der Entführung des Expolitikers Trinh Xuân Thanh im Tiergarten demonstrieren vietnamesische Berliner

Rund 70 Menschen demonstrierten am Samstag vor der vietnamesischen Botschaft Foto: Christian Mang

„Kein Geheimdienst Vietnams auf deutschem Boden“, „Menschenrechte für Vietnam“ und „Sofortige Ausweisung aller vietnamesischen KP-Diplomaten“. So stand es am Samstag auf den selbst gefertigten Transparenten, mit denen rund 70 Vietnamesinnen und Vietnamesen aus Berlin und Norddeutschland protestierten: Zuerst präsentierten sie sich am Brandenburger Tor, dann zogen sie weiter vor die vietnamesische Botschaft am Treptower Park.

Sie protestierten damit gegen Menschenrechtsverletzungen in ihrem Herkunftsland und gegen die Verschleppung eines ehemaligen Parlamentsabgeordneten aus Berlin nach Hanoi durch den vietnamesischen Geheimdienst Tong cuc An ninh. Es ist die erste öffentliche Äußerung von vietnamesischen Berlinern, seit vor drei Wochen der Expolitiker Trinh Xuân Thanh im Tiergarten entführt wurde. Er hatte in Berlin Asyl beantragt.

„Seit der Mann mitten aus Berlin entführt wurde, fühle ich mich in Deutschland nicht mehr sicher“, sagt ein Demonstrant der taz. 1981 war er aus Vietnam geflohen, kam als Bootsflüchtling nach Deutschland. Ein Leben lang hatte er hier gearbeitet, jetzt als Rentner engagiert er sich politisch im Bundesverband der vietnamesischen Flüchtlinge in Deutschland, der die Kundgebungen organisierte. Der Verband recherchiert zu in Vietnam inhaftierten Oppositionellen, schafft Öffentlichkeit und ist immer wieder mit dem Auswärtigen Amt im Gespräch, damit sich Deutschland für die Freilassung von Oppositionellen einsetzt. In einem Fall mit Erfolg. Doch seit der Entführung seines Landsmanns, sagt der Rentner, sei die Angst da, „dass ich nachts abgeholt und nach Vietnam entführt werden kann“.

Die Ärztin Hoang Thi My Lam hält das Megafon. „Die Entführung des asylsuchenden Vietnamesen ist eine schwere Verletzung der deutschen Souveränität und ein schwerwiegender Bruch des Völkerrechts“, ruft sie hinein. „Wir betrachten den Vorfall wie eine unberechenbare drohende Warnung gegen die Sicherheit unserer Flüchtlingsgemeinschaft in Deutschland.“ Es sei nicht auszuschließen, dass die vietnamesischen Nachrichtendienste und die Botschaft in Deutschland die vietnamesischen hier lebenden Menschenrechtsaktivisten weiterhin heimlich ausspionieren und einzuschüchtern würden.

Fast alle Protestierenden sind Südvietnamesen, die nach dem Ende des Vietnamkrieges als Bootsflüchtlinge in den Westteil Deutschlands kamen. 1975 zum Ende des Vietnamkrieges mussten nicht nur die Amerikaner Vietnam verlassen, auch die von ihnen unterstützte südvietnamesische Regierung in Saigon und deren Anhänger kapitulierten. Viele wurden in der Folge politisch bestraft und flohen über das Meer nach Europa.

Die weit größeren Gruppen der ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter und der nach 1990 nach Deutschland gekommenen Vietnamesen blieben der Veranstaltung in Berlin fern. Die Gruppen sind sich bis heute kulturell und politisch fremd geblieben. Das liegt auch an ihrer unterschiedlichen Symbolsprache. Die orange gestreifte Fahne, die die Demonstranten mit sich führten, ist nicht etwa die vietnamesische Staatsflagge, sondern die der 1975 militärisch besiegten Saigoner Republik. Auch deren Hymne sangen sie. Damit können sich andere vietnamesische Berliner nicht identifizieren. Auf Flagge und Hymne wollen die Bootsflüchtlinge jedoch nicht verzichten, nicht einmal um den Preis, damit weitgehend unter sich zu bleiben. „Das ist Teil unserer Identität“, sagt die Ärztin Hoang Thi My Lam.

Verunsicherungen gibt es auch unter den größeren Gruppen der Vietnamesen in den Ostbezirken. Dass es nicht zu Protesten kommt, liegt daran, dass einige ihrer Vereine wie der in Berlin sitzende Bundesverband der Vietnamesen in Deutschland mit der vietnamesischen Botschaft gut vernetzt sind. Gegen sie einen Protest zu organisieren wäre undenkbar. „Würde ich hier in Berlin demonstrieren, hätte ich Angst, dass der Geheimdienst meine Verwandten in Vietnam bedroht“, sagt ein Nordvietnamese der taz.

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2 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ist offenbar schon eine Weile her, dass die Gründungsväter und -mütter der taz sympathisiert haben mit Leuten, die unter einer roten Fahne mit weißem Stern "Ho, Ho, Ho Chi Minh skandiert haben - oder gleich selber mitmarschiert sind. Heute scheinen eher Vergangenheitsbewältigung und Staatsräson angesagt zu sein.

     

    Im Übrigen frage ich mich, ob es keine Auslands-Journalisten mehr gibt bei der taz. Etwas mehr Hintergrund dürfte es schon sein für meinen Geschmack. Da fühlt man sich ja besser informiert von Leuten, die vietnamesischprachige Zeitungen lesen und dito Internet gucken! Womöglich steckt ja doch ein wenig mehr hinter der ganzen Sache, als die blanke Bosheit zähnefletschender, schlitzäugiger Altstalinisten, die armen unschuldigen Bootsflüchtlingen an den blütenweißen Kragen wollen.

     

    Übrigens: Es ist verdammt billig, "den" Vietnamesen die im Land grassierende Korruption vorzuwerfen, ohne zu sagen, was dagegen getan werden kann, wenn jegliche staatliche Gewalt als illegitim abgelehnt wird und eine Zusammenarbeit an ideologischen Prinzipien scheitert.

    • @mowgli:

      Sie wollten auch entführt werden?

      Die Plakate hatten diese Aufschriften.

      Verstehen Sie das nicht?