Viele Tote und Verletzte in der Ukraine: Raketenangriffe zu Silvester
Landesweit herrscht Luftalarm in der Ukraine. In der Nacht auf Freitag erlebt die Hauptstadt Kyjiw den schwersten Beschuss seit Kriegsbeginn.
taz | Äußerst unruhig verlief die Silvesternacht in der Ukraine. Nach den massiven russischen Luftangriffen in den Tagen zuvor herrschte wieder landesweit Luftalarm. Dabei schlugen erneut Raketen und Drohnen in Wohngebieten ein, erneut wurden Dutzende von Zivilisten durch Raketen und Drohnen getötet.
Bei den Angriffen konnten 87 von 90 Schachid-Drohnen abgeschossen werden, zitiert der ukrainische Dienst von BBC den Kommandeur der ukrainischen Luftwaffe, Mykola Oleshchuk. Schäden seien jedoch durch abgeschossene Drohnen entstanden, die auf Wohnhäuser niedergegangen sind. So haben abgeschossene Drohnen in Odessa ein Wohnhaus in Brand gesetzt. Dabei, so die BBC, seien ein 15-jähriger Jugendlicher getötet und acht weitere Personen verletzt worden. Kurz nach Mitternacht war die Stadt angegriffen worden, berichtet Natalia Gumenyuk vom Pressezentrum der Südlichen Verteidigungsstreitkräfte. Gefährlich an den abgestürzten Drohnen seien vor allem die durch den Abschuss ausgelöste Druckwelle.
Im Gebiet Lwiw, so Bürgermeister Andriy Sadovyi auf Telegram, habe ein Wohnheim gebrannt, nachdem Trümmer von Drohnen auf dieses gefallen seien. Das betroffene Gebäude, so Sadovyi, gehöre zu der Universität, an der Stepan Bandera, Chef der ukrainischen Nationalbewegung, vor 100 Jahren studiert hatte. Zufall dürfte dies kaum gewesen sein, ist doch der 1. Januar der Geburtstag des Nationalisten Bandera. Auch das Roman-Schuchewytsch-Museum in der Region Lwiw sei infolge eines Luftangriffs niedergebrannt, so Sadovyi. Schuchewytsch war Kommandeur des der Wehrmacht unterstellten Bataillons Nachtigall gewesen.
Unterdessen berichtet das Portal strana.news von vier Toten in Donezk, die bei einem Angriff auf das Stadtzentrum in der Silvesternacht ums Leben gekommen sind. In der Region Chmelnyzkyj ist nach Angaben der Ukrajinska Prawda bei einem Drohnenangriff am Neujahrstag ein Kind verletzt worden.
24 Tote in russischer Grenzstadt
Schon in den Tagen zuvor wurden viele Menschen in der Ukraine durch russischen Beschuss getötet. Am Montagmorgen korrigierte die Online-Zeitung Ukrajinska Prawda die Opferzahl des Luftangriffs vom 29. Dezember auf Kyjiw erneut nach oben. Bei dem schwersten Luftangriff auf die Hauptstadt seit Kriegsbeginn seien 28 Menschen getötet worden. In Dnipro waren am 29. Dezember fünf Personen getötet worden. Bei einem Angriff auf Charkiw wurden auch Mitarbeiter eines ZDF-Sendeteams verletzt.
Auch Russland beklagte Tote in den vergangenen Tagen. Am Samstag wurde die Stadt Belgorod, 30 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt, beschossen. Dabei sind, so zitiert der russische Dienst der BBC den Gouverneur der Region Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, 24 Menschen ums Leben gekommen. Die tödlichen Raketenangriffe waren gegen halb fünf Uhr abends erfolgt. Dabei ist auch ein mehrstöckiges Kaufhaus im Stadtzentrum schwer geschädigt worden.
Bei einer von Russland beantragten Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats am Samstag beschuldigte der russische UN-Vertreter Wassili Nebenzya die Ukraine eines „vorsätzlichen, wahllosen Angriffs auf ein ziviles Objekt“. Unter Berufung auf eine eigene Quelle bei den ukrainischen Sicherheitskräften berichtet die BBC, dass Kyjiw den Angriff auf Belgorod angeordnet habe.
Selenski lobt sein Land und seine Soldaten
Der beigeordnete UN-Generalsekretär Mohamed Khiari verurteilte die Angriffe beider Seiten laut BBC unmissverständlich und erklärte, die Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastrukturen „verstoßen gegen das humanitäre Völkerrecht, sind inakzeptabel und müssen sofort eingestellt werden“. Seit über einem Jahr wird die Region Belgorod immer wieder angegriffen. Der Angriff vom Samstag ist bereits der zweite Angriff auf die Stadt innerhalb von 24 Stunden. Bei einem Beschuss am Freitag war ein Mann getötet worden, zitiert die BBC Gouverneur Gladkov.
Präsident Selenski über die Ukraine
In einer eindringlichen Rede dankte der ukrainische Präsident Selenski in der Silvesternacht den Soldaten und wünschte seinen Landsleuten Kraft und Zuversicht. „Ich bin stolz auf jeden ukrainischen Kämpfer. Solange es euch gibt, gibt es die Ukraine. Ich weiß, wie tapfer und heldenhaft ihr uns verteidigt. (…) Ihr haltet das Böse zurück, das noch größer geworden ist.“ Die Liebe der Ukrainer zu ihrem Land sei stärker als die Besatzung, so Selenski, und diese Liebe sei die treibende Kraft, die die Eindringlinge so fürchteten.
„Eine solche Nation inspiriert – wie Sie sehen – die ganze Welt. So einen Staat will man in der europäischen Familie sehen“, so Selenski unter Bezug auf die Entscheidung der EU zur Aufnahme von Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Ukraine.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“