Viele Tote bei Angriffen in Sudan: Weder Kindergärten noch Hilfstransporte bleiben verschont
Sudan wirft der RSF-Miliz einen Angriff auf einen Kindergarten mit 110 Toten und einen UN-Hilfskonvoi vor. Die RSF erhebt Vorwürfe gegen Sudans Armee.
Drohnenangriffe auf Kindergärten, Krankenhäuser, Märkte, Lebensmittel- und Benzinlastwagen – der Krieg in Sudan zwischen der Armee und der aufständischen Miliz RSF (Rapid Support Forces) nimmt immer gewaltigere Ausmaße an und fordert immer mehr Opfer unter der Zivilbevölkerung. Am vergangenen Donnerstag wurde in Kaloqi im sudanesischen Bundesstaat Süd-Kordofan ein Kindergarten von einer Kampfdrohne zerstört.
Mehr als 110 Menschen insgesamt seien ums Leben gekommen, darunter 46 Kinder, so gegenüber lokalen Medien Essam al-Din al-Sayed, der Chef der Stadtverwaltung. Sudans Regierung machte die RSF für diese „Fortsetzung ihrer Kampagne des Völkermords“ verantwortlich. Kurz nach dem ersten Angriff sei ein weiteres Geschoss eigeschlagen, als Helfer gerade die Verwundeten aus den Trümmern bergen wollten, berichtet der Verwalter weiter. Eine weitere Kamikaze-Drohne sei im örtlichen Krankenhaus eingeschlagen, wo die Verletzten hingebracht worden waren.
Die genaue Opferzahl ist noch nicht endgültig bestätigt, da das umkämpfte Gebiet in der Region Süd-Kordofan von der Telefon- und Internetverbindung abgeschnitten ist. Kaloqi liegt in den Nuba-Bergen, schon lange Kriegsgebiet.
Der sudanesische Ärzteverband meldete am Samstag, dass unter den Opfern in Kaloqi auch zahlreiche Sanitäter gewesen seien, „die zum Anschlagsort eilten, bevor sie von einem zweiten Überraschungsangriff getroffen wurden“. Dr. Razan al-Mahdi, Sprecher des Ärzteverbandes, verurteilte in einer Erklärung dieses „abscheuliche Verbrechen“.
WFP-Hilfskonvoi für Darfur unter Beschuss
Laut UN-Meldungen schlug einen Tag später in Nord-Kordofan ein Geschoss in einen UN-Konvoi ein. Dabei wurde ein Lastwagen des UN-Welternährungsprogramms WFP zerstört und der Fahrer schwer verletzt. Der Konvoi mit fast 40 Lastwagen war mit Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern auf dem Weg nach Darfur – ins Vertriebenenlager Tawila, wo über 700.000 Menschen ohne ausreichend Versorgung hausen, darunter geflohene Überlebende der RSF-Eroberung der Provinzhauptstadt El Fasher im Oktober.
Einer der Lkws hatte unterwegs eine Panne und musste repariert werden, geriet dabei unter Beschuss. „Die Route war von allen Konfliktparteien zur Nutzung freigegeben worden“, erklärte WFP kurz nach dem Angriff am Freitag. Die über 1.000 Kilometer lange Strecke von Port Sudan am Roten Meer über Khartum bis Darfur „ist die wichtigste Versorgungsroute des WFP, um die am stärksten gefährdeten Menschen in Darfur zu erreichen“.
Es sei bereits der sechste schwere Angriff auf das Hilfswerk in Sudan innerhalb des letzten Jahres – acht humanitäre Helfer und Partner seien getötet und viele weitere verletzt worden: „Das ist inakzeptabel“, so WFP. Wer das Geschoss mutmaßlich abgefeuert hat, darüber schweigt sich WFP aus.
Die RSF-Miliz zeigt am Samstag in ihrem offiziellen Telegram-Kanal die Lastwagenkolonne von WFP, die durch das von ihr eroberte Gebiet rollt. Drohnenkameras zeigen die weißen Lkws von oben durch die Wüste fahrend, im Hintergrund wird pompöse Musik eingespielt. Von einem Angriff ist in diesem Video nicht die Rede.
Bombenangriffe auf Adré in Tschad
Umgekehrt beschuldigt die RSF Sudans Armee, einen Markt in der Grenzstadt Adré in Tschad bombardiert zu haben. Die Grenze zwischen Sudan und Tschad trennt die Zwilligsstädte Adré in Tschad und Adikong in Sudan. Videos, die von der Onlineplattform Sudanwarmonitor verifiziert wurden, zeigen eine gewaltige Explosion und eine riesige schwarze Wolke, mutmaßlich brennender Diesel von einem Treibstofflager oder Lkw, der Diesel transportierte. Die Armee hat bislang zu diesem Zwischenfall keine Erklärung abgegeben.
Adré gilt als wichtiges Auffanglager für Geflüchtete aus den RSF-Gebieten in Darfur und auch als Umschlagsplatz für Nachschub an die RSF-Truppen in Darfur: Lebensmittel, medizinische Produkte, Benzin und Waffen sollen über diesen Grenzposten geliefert werden. Neben einem Dieseltanker ging nach RSF-Angaben auch ein nahe gelegener Markt in Flammen auf.
Vergangene Woche war bereits weiter nördlich in Libyen ein Lkw-Konvoi bombardiert worden, mutmaßlich von der ägyptischen Luftwaffe, welche Sudans Armee unterstützt. Von Libyen aus gelangt regelmäßig militärischer Nachschub für die RSF nach Sudan.
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