: Viel Lärm um Schröders Nichts
■ Gerhard Schröder will Euro-Stopp im Bundesrat. Und sorgt damit für Rascheln im Blätterwald. Herbe Kritik auch von den Parteigenossen. Unklar ist, ob der Bundesrat überhaupt noch gefragt werden muß
Berlin (dpa/taz) – Die Nachrichtenlage ist ruhig zwischen den Jahren, die Zeitungen haben nicht viel zu schreiben – da meldet sich auch schon Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) zu Wort. In einem Interview mit der Illustrierten Focus droht er mit nicht weniger als dem Scheitern des Euros im Bundesrat. Er sagte, die SPD habe „gar keinen Grund, sich heute definitiv auf ein Pro unter allen Umständen festzulegen. Wenn die Bedingungen nicht stimmen, dann kann man doch nicht zustimmen.“ Langfristig könne die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion überhaupt nur funktionieren, wenn außer der Geldpolitik auch die Steuer- und die Wirtschaftspolitik europäisch koordiniert würden.
Schröder verlangte außerdem, die Kosten der Währungsunion offenzulegen. Wegen der großen wirtschaftlichen Unterschiede in Europa könnte sie ähnlich teuer werden wie die deutsche Einheit – und die koste schon jetzt 200 Milliarden Mark pro Jahr.
Dank der Schröder-Meldung vom Samstag gab es wenigstens ein innenpolitisches Thema zum nachrichtenarmen Wochenende: Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) wies die Äußerungen Schröders in der Welt am Sonntag als „unverantwortliche Panikmache“ zurück. Die Wirtschafts- und Währungsunion werde „vielmehr ein europäischer Wachstumsmotor sein, von dem insbesondere Deutschland profitiert“.
Auch Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) meldete sich zu Wort. Ebenfalls der Welt am Sonntag sagte er, Schröder belege mit seinen „leichtfertigen Äußerungen“ erneut, daß er „keine Gelegenheit zu populistischer Stimmungsmache ausläßt“. Es gehe ihm „wieder nur um seine eigene Profilierungssucht“. Zudem stehe Schröders Auffassung im Gegensatz zu den Beschlüssen seiner eigenen Partei. Die SPD solle jetzt endlich einmal sagen, was sie europapolitisch wolle, ergänzte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) im gleichen Blatt.
Selbst Schröders Parteigenossen ließen sich nicht lange bitten und schickten Kurt Beck, Schröders Kollege aus Rheinland-Pfalz, ins Rennen. Beck sagte, es sei nicht angebracht, „durch weitere Irritationen die ohnehin schon entstandene Verwirrung noch zu vergrößern“. Deutschland brauche den Euro und eine starke Wirtschafts- und Währungsunion.
Wahrscheinlich nur viel Lärm um nichts. Der Bonner Verfassungsexperte Josef Isensee wandte in der Welt am Sonntag ein, der Bundesrat habe gar kein Recht mehr, in die Einführung des Euro einzugreifen, da die Ländervertretung dem Maastricht-Vertrag Ende 1992 zugestimmt habe.
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