DIE WELT GUCKT AUF BERLIN: Viel Kritik an Polizeieinsatz
■ Bischoff Forck spricht von "Armutszeugnis"/ SPD-Vogel räumt soziale Ursachen ein und/ AdK-Präsident (Ost), Heiner Müller, fordert "zivile Formen"
Berlin. In Bezug auf das Vorgehen des Senats und die Entscheidung von Innensenator Erich Pätzold (SPD) sprach der Spitzenkandidat von Bündnis 90/Grüne, Gerd Poppe, von »Unsensibilität der Westseite gegenüber dem Osten«. Deutlich sei Arroganz im politischen Umgang zu spüren. Die »unglaubliche Präsenz der Polizisten« nannte er dabei einen Auslöser von Reaktionen, die dann zu Gewalt führten. Auch der Bischof von Berlin-Brandenburg, Gottfried Forck, hat die Räumung der besetzten Häuser in Friedrichshain kritisiert. Forck: »Ich denke, wenn man in dem Sinne einfach Verhandlungen abbricht und dann durch Gewalt ersetzt, dann ist das ein Armutszeugnis.« Nach Ansicht des SPD-Vorsitzenden Vogel spielten bei den Ausschreitungen im Ostteil Berlins auch soziale Probleme eine Rolle. Zugleich sicherte er dem Berliner Senat »volle Unterstützung« bei der Herstellung von Recht, Sicherheit und sozialem Frieden zu. Der Staat, so bekräftigte er, müsse sein Gewaltmonopol bewahren. Der FDP-Innenpolitiker Burkhard Hirsch warnte die Parteien davor, eine »scheinbare Wahlkampfmöglichkeit« auszunutzen. Die Berliner Mietergemeinschaft e.V. kritisierte unter anderem, daß der Senat die Häuser in der Mainzer Straße entgegen der sogenannten »Berliner Linie« hat räumen lassen — seien die Gebäude dort doch vor dem ominösen Stichtag, 24. Juli, besetzt worden. Die Bürgermeister der Bezirke Friedrichshain und Lichtenberg forderten auf einer Sitzung des Rates der Berliner Bürgermeister vom Oberbürgermeister Tino Schwierzina (SPD) »eine lückenlose Vorab-Unterrichtung« über künftige Polizeieinsätze. Auch die Präsidenten der Akademie der Künste im Ostteil der Stadt und der Hochschule der Künste im Westen Berlins, Heiner Müller und Ulrich Roloff-Momin, haben gegen den Polizeieinsatz protestiert und Innensenator Erich Pätzold (SPD) aufgefordert, »zu zivilen und dialogischen Formen der Auseinandersetzung zurückzukehren«. Die Grünen im Niedersächsischen Landtag haben die Entsendung niedersächsischer Polizisten nach Berlin — die ohne politische Diskussion darüber vonstatten gegangen sein soll — scharf kritisiert. »In Niedersachsen«, so die Grünen in Hannover, »muß es statt der einseitigen Polizeistrategie auf jeden Fall eine politische Lösung geben.« ok
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