■ Soundcheck: Vieja Trova Santiaguera
Gehört: Vieja Trova Santiaguera. Abseits aller Gerontophilie war dies ein schönes Konzert. Im Gegensatz zum nur unwesentlich älteren Compay Segundo sind die fünf Senioren der Vieja Trova Santiaguera noch bestens bei Stimme und kriegen auch komplizierte Harmonien problemlos hin. Wieder mal sah man, daß es keineswegs eines Schlagzeugs bedarf, um Musik zum Grooven zu bringen – dezente Percussions und das stoische Kontrabaßspiel des 86jährigen Aristoteles Raimundo Limonta brachten das Publikum schon nach wenigen Sekunden zum Wippen.
Mit großer Gelassenheit interpretierte das Quintett aus Santiago de Cuba dann einen alten Son-Gassenhauer nach dem anderen. In den liner notes zu La Manigua werden die fünf alten Knaben als „stage animals“ bezeichnet. Spätestens im zweiten Set wurden sie dieser Bezeichnung mit jeder Menge Tänzchen und Sperenzchen gerecht. Den größten Beifall gab's indes, als die alten Knaben einer nach dem anderen ihr Alter verrieten.
Getrübt wurde die Freude leider ein wenig durch die Begleit-umstände, die in der Fabrik ja oft fragwürdig sind. Ist der Laden voll, haben nur die ellbogenstärksten Besucher die Chance, auch etwas zu sehen. Ist er ausverkauft, wie an diesem Abend, kommt noch die Nervenschwäche des überforderten Personals hinzu. In diesem Geist dachte sich die Fabrik wahrscheinlich auch die einzigartige Regelung aus, zahlungswilligen Gästen nach Kassenschluß (also ungefähr 30 Minuten nach Konzertbeginn) grundsätzlich den Eintritt zu verwehren. Derlei Tugenden mögen für die Leitung eines Kleingartenvereins angezeigt sein, zur Ausrichtung von Konzerten wäre etwas mehr Souveränität wünschenswert.
Detlef Diederichsen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen