Video der Woche: Seehofer grient, Merkel mauert
Ein niederländischer Journalist brachte die Kanzlerin mit hartnäckigen Fragen zu Finanzminister Schäuble in Bedrängnis - der Mitschnitt wurde zum Youtube-Hit.
BERLIN taz | Deutsche Politiker lernen, das Videoportal Youtube zu fürchten. Erst traf es FDP-Chef Guido Westerwelle, als er am morgen nach der Bundestagswahl die Bitte eines BBC-Korrespondenten um eine englische Antwort auf einer Pressekonferenz mit dem Satz "Es ist Deutschland hier" barsch zurückwies. Hunderttausende Internetnutzer sahen den Mitschnitt und einige erwarteten daraufhin gar, dass Westerwelle nun wie einst Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber mit seiner legendären Transrapid-Rede zur bundesweiten Lachnummer wird. Warten wir es ab. Zumindest TV-Entertainer Harald Schmidt stellte die Szene bereits in seiner Sendung nach.
Nun hat es Kanzlerin Angela Merkel erwischt, wenngleich vorerst nicht ganz so heftig wie ihren Vize.
Auf der Pressekonferenz, auf der sie mit Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer Details des Koalitionsvertrags präsentierte, meldete sich ein niederländischer Reporter mit einer Frage an Merkel über ihren neuen Finanzminister Wolfgang Schäuble: "Nun wollen Sie das Finanzministerium mit einer Person besetzen, die im Deutschen Bundestag öffentlich beteuert hat, dass sie einen Waffenhändler nur einmal getroffen hat und vergessen hat, dass sie dabei 100.000 D-Mark von ihm angenommen hat. Wie können Sie so eine Person als so kompetent schätzen, um ihr die Finanzen in der Krise anzuvertrauen?" Die Journalisten neben ihm schmunzeln. Horst Seehofer lacht. Guido Westerwelle guckt betreten nach unten. Dann antwortet Merkel kurz: "Weil diese Person mein Vertrauen hat."
Sie dachte wohl, dass das Thema damit erledigt ist - ein Irrtum. Der Journalist hakt nach: "Kann jemand mit Geld umgehen, wenn er vergisst, dass er 100.000 Mark in der Schublade hat?" Es bricht Gelächter aus, nur die Kanzlerin ist nicht amüsiert: "Ich habe wirklich jetzt alles gesagt dazu", sagt sie scharf.
Doch der Reporter versucht es noch ein weiteres Mal - und stößt erneut auf Granit. "Ich kann es noch einmal wiederholen", sagt die Kanzlerin nun doch sichtlich entnervt, "aber ich ich habe aus meiner Sicht alles gesagt". Der Journalist wendet abermals ein: "Es geht um die Finanzen von 82 Millionen Deutschen. Das ist eine ziemlich große Summe würde ich sagen." Doch Merkel antwortet nicht einmal mehr. Um "die nächste Frage" wird gebeten.
Souverän war das nicht. Mit versteinerter Miene, wortkarg und strikt nach dem Sprechzettel hat sich Merkel aus der Affäre ziehen wollen - und damit erst zu einem unfreiwillig unterhaltsamen Video beigetragen. Auch dieses wurde auf Youtube bis Donnerstagmittag rund eine halbe Million mal angesehen und tausendfach bewertet.
Der Mann, der die Kanzlerin in Bedrängnis brachte, heißt Rob Savelberg und arbeitet für die niederländische Tageszeitung De Telegraaf. Die deutschen Journalisten hätten zu viel Respekt vor Politikern, kritisierte er später in einem Interview mit "Welt Online". In den Niederlanden gebe es weniger Ängste beim Kritisieren. Eine Person wie Wolfgang Schäuble hätte dort nach der Spendenaffäre auch nicht im Politikbetrieb bleiben können, glaubt er. "Es bestehen Zweifel über die Vertrauenswürdigkeit und Eignung einiger Minister Merkels", schrieb er in seinem Artikel über die Pressekonferenz und wies auch noch einmal auf die rüde Umgangsweise Westerwelles mit dem BBC-Mitarbeiter hin.
Die neue schwarz-gelbe Regierung und die Auslandskorrespondenten - es scheint der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zu sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!