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Video der WocheMein Nagellack gehört mir

Verschleiern reicht in Saudi-Arabien nicht aus, um Sittenwächtern gefällig zu sein. Auch bunte Nägel sind verpönt. Eine Frau machte sich jetzt stark für ihren Nagellack.

Zwar ist moderner Nagellack nicht ganz mit Henna zu vergleichen, auf jeden Fall aber auch kein offizielles Vergehen. Oder doch? (Archivbild 2009). Bild: dapd

BERLIN taz | Das Video ist künstlerisch nicht wertvoll, wurde aber in kurzer Zeit über eine Million Mal geklickt: In einem saudi-arabischen Einkaufszentrum wollen freiwillige Sittenwächter eine korrekt verschleierte Frau rausschmeißen und nach Hause schicken. Weil sie Nagellack trägt.

Dass in Saudi-Arabien Frauen vieles verboten ist, ist nicht neu, neu ist aber, dass sich eine saudische Frau lautstark, aktiv und mit Androhung der Veröffentlichung des Videos den selbst ernannten Wächtern stellt. „Was willst du dagegen machen?“ echauffiert sie sich gegenüber den gestrengen Bartträgern, „ich werde nicht gehen, denn es geht euch nichts an, ob ich Nagellack trage“, schimpft die Frau, die ihr Gesicht im Video nicht zeigt.

„Ihr seid nicht für mich verantwortlich, eure Aufgabe ist es nur, die Menschen zu beraten“, meckert sie engagiert. Und Recht hat sie. Nach ganz altem islamischen und auch nach ganz neuem saudischen Recht. Die muslimische Sittenordnung nach dem Propheten Mohammed gibt klar vor, dass von einer Frau „das Gesicht, die Hände und die Füße" in der Öffentlichkeit zu sehen sein dürfen und sie sich nur vor ihrem Ehemann aufgebrezelt zeigen darf. Ein Mann hat ohnehin auf den Boden zu schauen, wenn ihm eine Frau begegnet, besser noch: die Straßenseite zu wechseln.

Am Ende ist es der Mann, der entscheidet

Nun herrscht in Saudi-Arabien aber die Auslegung der Heiligen Schriften nach Ibn Abd al-Wahhab, der sich bereits im 18. Jahrhundert dagegen aussprach, die ohnehin streng ausgelegten Verhaltensregeln der arabischen Halbinsel auch nur ansatzweise den modernen Zeiten anzupassen. Also werden Dinge verboten, die traditionell auch im arabisch-islamischen Brauch verhaftet sind. Zwar ist moderner Nagellack nicht ganz mit dem althergebrachten Färben der Fingerspitzen durch Henna zu vergleichen, auf jeden Fall aber auch kein offizielles Vergehen. Oder doch?

Am Ende ist es der Mann, der entscheidet. Über seine Verführbarkeit durch z.B. die in sinnlichen Farben bemalten Fingernägel einer verhüllten Frau, denn jeder kleine Koranschüler lernt den Ausspruch des Propheten, dass „die Frauen die größte Versuchung auf Erden“ darstellen. Ob die im Video zu sehenden Herren sich nun ob des Nagellacks sexuell belästigt oder gar angeregt sehen, ist nicht berichtet, oft wollen die Traditionalisten aber natürlich auch einfach nur ihre Macht demonstrieren. Die Vermutung liegt nahe, dass der freiwillige Job der Sittenwacht-Assistenz ohnehin von moralinsauren Hardlinern aus der Charakterliga, aus der sich auch die NS-Blockwarte rekrutiert haben, bestritten wird.

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Der schlimme Wolf schlummert im schwarzen Umhang

Dass diese Freiwilligen ihre Macht missbrauchen, ist sogar in Saudi-Arabien bereits dokumentiert. Denn nichts ist leichter, als sich einen moralischen Schafspelz (hier: einen großherrschaftlichen schwarz-goldenen Umhang) anzuziehen, um dann Frauen anzusprechen – was natürlich für Nicht-Sittenwächter unmöglich und unter Androhung von hohen Strafen verboten ist. Die Vorgaben der saudischen Religionspolizei, die als jeweils lokale Sittenpolizei übrigens auch in vielen anderen arabischen Ländern anzutreffen ist, haben sich seit Januar 2012 ein wenig gelockert.

Scheich Adullatif Abdel Asis as-Scheich wurde neuer Chef der Moralhüter und erließ per Dekret, dass die Religionspolizei und ihre eifrigen Helferlein Frauen nicht mehr mit ihren Forderungen belästigen sollen und auch keine harten Strafen (früher gab es z.B. unerwartete Schläge von hinten auf den Kopf, wenn das Tuch nicht richtig saß) mehr geben darf.

Dass dieses Dekret und vor allem der lautstarke Widerspruch der Filmerin in der arabischen Welt keine Fans findet, ist das am meisten Verwundernde unseres Videos der Woche: in den ca. 12.000 Kommentaren unter dem Video entzürnen sich die meisten, dass die Unfolgsame eine „Schlampe“ oder „Hure“ sei, 8.000 drückten den „gefällt mir nicht“-Button im Vergleich zu 1.700 „likes“.

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9 Kommentare

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  • JA
    Jill Amanda

    Ist ja nicht so , als hätte das mit dem Nagellack nicht zwei andere Gründe. erst informieren , dann blamieren bitte.

     

    1. Es geht vorallem darum, dass man zum beten eine waschung macht, um sich zu reinigen. und da muss das wasser an die hände kommen.. und auch logischerweise an die nägel, was mit lack obendrauf, was würdet ihr raten?! , nicht möglich ist. deshalb lässt mans wenn man betet meistens einfach ^^

    2. Haben deine nägel eine naturfarbe. Hätten sie bunt sein sollen, dann wären sie so. Und sagt mir nicht das argument wäre altmodisch oder sonstwas, selbst im westlichsten westen haben Leute moralische probleme damit ihren Körper beispielsweise einer schönheitsoP zu unterziehen. Und die Absicht, um die es geht, ob Nagellack oder Operation, ist, seinen Körper zu verändern. und damit würden Menschen die nachdenken noch ich tausend jahren ein Problem haben.

  • G
    Gunter

    Warum Menschen sich dermaßen im Mittelalter befinden nur einer veralteten dogmatischen Religion wegen gegenseitig das Leben schwer machen, ist für Europäer überhaupt nicht nachzuvollziehen ??? Der Islam gehört nicht zu Deutschland, das wird noch klarer wenn man Artikel wie diesen über Saudi Arabien liest wo diese Religion bekanntlich herkommt.

  • F
    fragef

    Das mit den Schlägen auf den Hinterkopf finde ich witzig.

     

    Könnten wir in D auch einführen für arabische Migranten.

     

    In der dt. Kultur erhöhen Schläge auf den Hinterkopf sogar das Denkvermögen. :-)

     

    Ich sehe uns schon als Gewinner der nächsten Pisa Studie.

  • N
    Neo

    UN-Menschrechtscharta

     

    Neo, die Unbestechlichen

  • JZ
    jan z.

    Ich habe nie bei einer Frau auf den Nagellack geguckt! Ist da ein einziger Mann welcher auf Nagellack guckt ? Willste wissen wo wir hingucken ? Das weeste schon ? Dann verstehn wir uns doch !

  • C
    Carla

    Ich fareg mich immer mal wieder, warum DAS jetzt zu Deutschland gehören soll?!

     

    Ich weiß nicht, in keinem islamischen Land herrscht wirklich Fortschritt, eine Wissensgesellschaft oder Gleichberechtigung. Bin nicht begeistert von dieser Religion. Für uns Frauen wäre diese Religion nur ein Rückschritt, deshalb verstehe ich nicht, warum so viele von uns Linken sich dafür aussprechen?!

  • CW
    C. Wulff

    Der Islam gehört zu Deutschland. Heißt das wir müssen auch eine Sittenpolizei einrichten? Nur für Muslimas, versteht sich.

  • JS
    jasna sprawa

    Hmm, wer sagt denn im Islam, dass der Mann die Straßenseite wechseln muss, wenn er einer Vertreterin des schönen Geschlechts begegnet? Das hört sich für mich - selbst Muslima mit einem gewissen Basiswissen in meiner Regligion - sehr exotisch an. In den gängigen Quellen (Qur'an und Sunna) bin ich so einer Aussage nie begegnet.

    Aber natürlich, wenn man den Islam für immanent frauenfeindlich hält, kann man viel hineininterpretieren und irgendwas wird man schon finden, was dafür spricht. Oder irgeneine Fatwa, oder irgendeinen bösen Salafisten oder Wahabiten.

    Was den Nagellack angeht. Der Unterschied zu Henna ist, dass Henna den Nagel nicht mit einer wasserundurchlässigen Schicht (Chemikalien)den Nagel die Henna-Farbe aufnehmen lässt. Das ist unter anderen bei der rituellen Waschung ein nicht unwesentliches Detail, denn bei dabei müssen alle vorgeschrieben Körperregionen (Hände, GEsicht usw.) ganz - und nicht nur teilweise - nass werden. Deswegen gibt es nicht wenige die behaupten, mit Nagellack werde der Nagel praktisch nicht nass (da er von der Lackschicht überzogen ist). Ansonsten ist die Waschung ungültig und ohne Waschung ist auch das rituelle Gebet ungültig.

    Und ein Detail noch: die Sittenwächter haben die Frau wahrscheinlich nicht in erster Linie wegen des Nagellacks angesprochen, sondern wegen der offenen Haare (das hört man auch im Video).

    Alles in allem: Video der Woche für eine Frau, deren einziges Verdienst es ist, für ihr Nagellackrecht in SA zu kämpfen? Es gibt bestimmt (auch in SA) Frauen, die es zu mehr gebracht haben. Aber was soll's, jedem das seine.

  • J
    Jürgen

    Der eigene Nagellack! Das wird ja die wahre Befreiung!