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Video der WocheNimm dies, Bürschchen!

Besser als die kleine Terra kann wohl keiner in nur vier Minuten sämtliche Stereotype über Mädchen ad absurdum führen. Ein B-Girl-Herz kennt keinen Schmerz.

Was guckst du? Headspin – ist doch nichts dabei! Bild: Screenshot/Youtube

Ein unfassbar kleiner, kräftiger, wendiger Körper fegt über die Tanzfläche, steht auf dem Kopf, auf den Händen, schleudert die Beine herum: Zeigte der locker drei Jahre ältere Junge der vor ihr im Wettbewerb antrat schon überaus beachtliches, tanzt die kleine Breakdancerin Terra aus Wolverhampton in Großbritannien ihn locker an die Wand – vorallem wegen ihrer Attitude. Und sie hört einfach nicht mehr auf. Auf ihre Choreographie folgt etwas, dass wie eine Freestyle-Improvisation aussieht – der Applaus ist ihr sicher und sichtlich nicht unangenehm.

Am vergangenen Wochenende hat Mini-Breakdance-Girl Terra ihre doppelt so großen Kontrahenten auf den Tanzwettbewerb in Chelle bei Paris im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen lassen. Die gerade mal Sechsjährige ist, ebenso wie ihre achtjährige Schwester Eddie, Teil der Soul Mavericks – einer britischen Breakdance-Gruppe. Nicht irgendeiner – die männlichen B-Boys der Truppe sind zur Zeit führend in Großbritannien und nehmen an zahlreichen internationalen Wettbewerben teil. Und Terra ist dabei, seit sie fünf Jahre alt ist.

Sie beherrscht das HipHop-Alphabet vermutlich sicherer als das ABC – hier ein Highfive, da ein Handschlag, dort wird eine Nase gedreht – und immer ordentlich Attitude im Spiel. Turtle, Windmill, Downrock - „Nimm dies, Bürschchen, dich mach ich alle!“, zeigen ihre Posen. Ein Spiel, dessen Regeln ihr bereits in Fleisch und Blut übergegangen sind. Aber es ist eben ein Spiel und die zum Tanz gehörenden Posen rechtfertigen nicht die mitunter unterirdischen Kommentare unter dem Video auf Youtube, in denen der Junge, auch noch ein Kind, aufs Übelste runtergeputzt wurde. Als wäre dieser talentierte kleine Tänzer der Oberloser, nur weil er gegen ein kleineres Mädchen verliert.

„Wir in der Szene haben uns wahnsinnig über die Medien geärgert, die durch ihren Hype um Terra Kinder wie den Jungen einem solchen Shitstorm ausgesetzt haben“, sagt Nika Kramer, die internationale HipHop und Breakdance-Events organisiert. „Innerhalb der Szene würde man nicht so übereinander reden oder könnte das zumindest angemessen moderieren. Wir haben schon überlegt, ob wir das Video sperren lassen und keine Handys mehr bei den Wettbewerben zulassen. Oder eben die Baby-Battle canceln. Das wäre natürlich schade, denn das Mädchen ist zweifellos toll!"

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Grau-rosa rules!

Tough, im grau-rosa Trainingsanzug und noch Babyspeck auf den Rippen, disst sie ihren Kontrahenten mit coolen Gesten und er hat auch die Größe, ihr den größten Respekt zu zollen. Sie ist der unangefochtene Star der Baby-Battle-Runde – auch wenn am Schluss ein anderer den ersten Preis bekommt, denn tänzerisch ist bei der Kleinen noch Luft nach oben.

Breakdance entstand in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in New York City unter den unterpriviligierten Jugendlichen. Inzwischen hat sich der Tanz internationalisiert und auch einen Großteil seines Ghettoimages eingebüßt – vor allem aber ist es keine reine Männerdomäne mehr. Mädchen wie Terra sind kein Einzelfall, auch wenn in Ländern wie Frankreich, Großbritannien und vor allem Japan noch sehr viel mehr Mädchen mit den B-Boys mithalten können als in Deutschland.

Hier ist es nicht so einfach mit der Etablierung der Mädchen in der Szene und ein reines Mädchen-Team wie beispielsweise die Crew „How I met a B-Girl“ ist eine Rarität. Das Team konnte als einziges weibliches, deutsches beim Battle-of-the-Year-Vorentscheid in Hannover vergangenes Jahr teilnehmen.

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Guck auf meine Styles und guck auf meinen Arsch

Trotz Frauen wie Nika Kramer, die Breakdance Girls in Deutschland vernetzt, promotet und Events veranstaltet, gibt es doch nicht allzu viele Frauen, die Breakdance wirklich und dauerhaft als Sport, Tanz und Lebensphilosophie ernst nehmen. Für das Battlen brauchen die Frauen eine Menge Selbstbewußtsein. „Man exponiert sich und es ist richtig Stress – das mag nicht jede“, meint Kramer.

Ein B-Girl zu sein bedeutet Ignoranz gegenüber blauen Flecken und gebrochenen Knochen, gegenüber Schweißgeruch und wenig Zeit für anderes. Es bedarf Ehrgeiz, Disziplin und Mut – kurz, es ist eine gute Schule fürs Leben. Weit abgelegen an der Spitze der B-Girls stehen die Japanerinnen – die vermutlich keine Nacht mehr als drei Stunden schlafen. Die Szene in Deutschland ist kleiner und vor allem fehlt hier das Geld, um weiterhin B-Girl-Battles zu veranstalten. „Wenn es in Deutschland B-Girl-Veranstaltungen geben soll, dann brauchen wir dafür Sponsoren“, betont Kramer, die für 2013 die B-Girl-Battle mangels Unterstützung absagen musste.

Die Mädchen von „How I met a B-Girl“ trainieren aber auch sehr gerne mit den Jungs zusammen. „Der Umgang ist sehr ehrlich, hart und direkt“, sagt B-Girl Evil Eve. „Da macht man sich keine Gedanken um Fingernägel.“ In Ländern in denen die Breakdance-Szene sehr viel größer ist, arbeiten sich die B-Girls nicht mehr an dem medienkreierten Wackelarsch-HipHop-Bitch-Image ab, sondern zeigen gerne was sie haben – ob es die Moves auf dem Dancefloor oder ihre durchtrainierten Körper sind. B-Girls wollen genauso ernst genommen werden wie die B-Boys – gegen sie antreten und sie besiegen. Dass das funktioniert, sehen wir nicht zuletzt an Terra. Die Zukunft trägt grau-rosa.

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15 Kommentare

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  • A
    aujau

    Und was fuer arme Idioten haben es noetig, den Jungen herunterzuputzen?

  • L
    latino

    Breakdance hatte in den 80ern bis Mitte 90er seinen Boom.

    Ich bin in der Zeit mit Hiphop und der heiligen Dreifaltigkeit (B-xxx, Rap und Graffiti) grossgeworden.

    Es gab fast auf jedem Battle - inklusive Battle of the year aber auch in jedem Freizi den ich besucht habe, B-Girl-Crews.

    Wer etwas anderes behauptet - war nicht dabei.

    Nix für ungut.

     

     

    Wie es heute ist, keine Ahnung, ich bin zu alt für Hiphop, und bin bei DJ Hurricane stehengeblieben :)

     

    Übrigens bestanden diese fast ausschließlich aus Mädchen mit Wurzeln im Süden. Selbstbewusste, disziplinierte B-Girls. Keiner hat daraus einen dicken gemacht, sie selbst am Wenigsten. Das ist der wahre Respekt.

     

    Emanzipation ist eine gute Sache. Kleinbürger, die sensationsgeil auf Subkulturen zeigen, von denen sie keine Ahnung haben - meist wenn dort Migranten überrepräsentiert sind - verstehen nichts und verwirren ihre Peers. Das ist nicht gut.

     

    Peace.

  • L
    @latino

    Schwachsinn.

     

    In der Breakdance-Szene/Kultur war es nicht immer so, dass es gleichberechtigt zuging. Und es ist auch jetzt nicht perfekt. Erst in den letzten sind mehr B-Girl-Crews entstanden und es tanzen mehr B-Girls in Gruppen und bei Battles. Da hat die japanische Breakdance-Szene viel positive Arbeit geleistet.

     

    Also bitte nicht den Fortschritt und die Emanzipation schlecht reden. (auch an " josette step")

     

    Homophobie und sogar teilweise Rassismus gibt es auch noch in der Szene. Wenn auch wesentlich weniger als im Mainstream der Gesellschaft.

     

    Ein letzter kritischer Punkt ist die erneute zunehmende Kommerzialisierung unseres Tanzes. Auch wenn wir heute schlauer und besser aufgestellt sind als Ende der 80er Jahre.

     

    Peace

    KJ

  • L
    latino

    B-Girls gabs schon immer. Völlig normal, auf einem Battle multikulturelle B-Girl Crews zu sehen. Keiner kam je auf die Idee das in Frage zu stellen. Es gibt wenige Subkulturen wo es so scheissegal ist welchem Geschlecht du angehörst wie Breakdance.

     

    Hört auf das Mädchen für so einen Schwachsinn zu instrumentalisieren.

    Respekt gebührt dem Mädchen für die Leistung. Den kriegt sie auch. Und lasst sie in Ruhe!

  • JS
    josette step

    ich tanze seit über 20 jahren professionell. Ich habe zu tun mit hetero und homo frauen und männern. wir alle tanzen weil es uns spass macht, weil wir uns ins tanzen verliebt haben und vor allem weil es den kopf frei macht. Versucht es doch auch mal, dann hört ihr vieleicht auf in alles euren emanzipatorischen scheiß rein zu interpretieren. manchmal glaube ich die einzigen menschen auf der welt die probleme mit ihrem gender haben sind autoren der taz.

  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Sehr schöner Artikel - vor allem der Abschluss, der gleichzeitig zwei Ideologien bricht:

     

    1. Frauen können nichts und

    2. Frauen, die was können, dürfen sich nicht als Frauen zeigen.

  • DL
    dem lentz

    mädchen können besser tanzen als jungs wiederspricht dem klischee?

    seit wann?

  • KD
    Konrad Duden

    Nie, nienienienienie wird die taz es lernen, das Das und das Dass richtig anzuwenden. Unerträglich, weil respektlos gegenüber einem Leser, der lesen und nicht stolpern will. Warum könnt ihr das nicht???? Ist das so schwierig?

     

    Da gibt's den schönen Dialog zweier Niederrheiner, die ein ungezogenes Kind beobachten: Darf dat dat? - Dat darf dat. - Datt dat dat darf! Welches Datt hat zwei t? Warum? Gut. Und jetzt üben, üben, üben.

  • T
    tzu

    Ganz viele Kamera am Rand, mit Steady-Cam, Kamera-Kram also das volle Programm. Und was kann man sehen ? Nen Handyvideo.

  • S
    Senf

    Eine Frau oder ein Mädchen leistet etwas beeindruckendes. Jetzt könnte man das genießen, darüber staunen, wozu Menschen so in der Lage sind, aber nein, die Geschlechterkriegerinnen berichten, und das bedeutet:

     

    "Nimm das Bürschchen!"

     

    Nun, ich fühle mich angegriffen, wenn ich also diese Erbärmlichkeit sezieren darf:

     

    Was wäre von einem Mann zu halten, der bei glanzvollen Leistungen eines Geschlechtsgenossen höhnisch Richtung Frauen ruft, "Mach das mal nach" oder "Kannste nicht". Der wäre einfach nur noch peinlich.

     

    Die moderne Superfrau muss erhöht werden, und das erfolgt immer über eine Abwertung von Männern. Ihr Glanz wird dadurch unterstrichen, dass sie es noch mal so gut kann wie der Mann, er ist es, an dem sie gemessen wird, häufig verbunden mit einer Abwertung und Erniedrigung des männlichen Vergleichsobjekts. Das ist, wenn man's recht bedenkt, eigentlich ziemlich traurig weil erbärmlich.

  • G
    Gerrit

    Toll, ehrlich...die Girls sind durchtrainiert, diszipliniert und machen einen Sofahocker echt sprachlos (wie auch die Kerle beim zweiten Video am Schluß). Klasse Sport immer noch, der definitiv (wie manche anderen Sportarten auch...meine ich "Ringen"?) mehr Sponsoring und Aufmerksamkeit verdient. Nicht, weil die Amy-Ghetto-Einstellung so toll ist; nein, weil das ein harter Sport ist, durchaus vergleichbar mit hochbezahlten artistischen (nein, auch nicht Fußball...) Sportarten, wie z.B. SuperMoto, oder Zehnkampf...aber alles Geschmacksache...-)

  • M
    Mann

    Respect !!

  • P
    Paul

    Auf Youtube wurden die Kommentare für das Video inzwischen deaktiviert.

  • R
    runzbart

    um das mal zu rekapitulieren: es gibt mädchen, die in einem so männlichen wettbewerb wie tanzen gegen bübchen gewonnen haben und das führt _sämtliche_ stereotype ad absurdum?

  • N
    Nein,

    Wie kann man eine Sechsjährige so ins Rampenlicht stellen?

     

    Das kann für das Wohl eines Kindes doch nicht gut sein, körperlich und psychisch.