Video der Woche: Hugo in Heaven
Der verstorbene Präsident Venezuelas, Hugo Chávez, trifft im Himmel auf Gottheiten, Che Guevara und Símon Bolivar. So sieht es jedenfalls der Regierungssender „Vive“.
Piep, piep, piep! Nein, getwittert hat der Geist von Hugo Chávez nicht, um sich bei den Lebenden bemerkbar zu machen. Dem venezolanischen Interimspräsidenten Nicolás Maduro erschien er jüngst in Gestalt eines Vögelchens auf einem Holzbalken in einer Kapelle. Zwitschernd soll er „uns seinen Segen gegeben haben“, beteuert Maduro und fordert den politischen Gegner auf, sich nicht über seine Spiritualität lustig zu machen.
Die werden sich davor hüten, zu spotten, denn die VenezolanerInnen sind in der Regel nicht nur tiefkatholisch. Eine breite Masse hängt auch dem „María Lionza“-Kult an, einem synkretistischen Glauben, demzufolge sich die Geister von Verstorbenen über ein Medium an die Lebenden wenden. Und gerade scheint das halbe Land ein Schwätzchen mit dem verblichenen Líder zu halten. Selbst noch im fernen Italien will der dortige Botschafter Venezuelas in Kommunikation mit Chávez getreten sein.
Für den Heiligen Hugo werden Kapellen errichtet, „Jesus für die Armen“ wird er nun immer wieder genannt. Altarfiguren mit seinem Konterfei verkaufen sich so gut wie hierzulande nur Teelichter von Ikea, und sie sind die Adressaten von abertausenden Gebeten. Als Gegenleistung erhoffen sich die Gläubigen vom Heiligen gute Ratschläge und Gefälligkeiten.
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Kein Tropfen Schweiss
Der Regierungssender Vive hat nun erstmals Bilder zu der Stimme aus dem Jenseits übermittelt. Die Animation zeigt Chavez' Einzug ins Paradies – oder vielmehr: in den Pantheon, die „Ehrenhalle“ des „María Lionza“-Kultes. Die ist in der Vorstellung der Fernsehproduzenten ein savannenartiges Weideland auf einem Hochplateau mit geringem Baumbestand. Die Sonne brennt von oben, aber dem Heiligen Hugo perlt bei seinem Auftritt kein Tropfen Schweiss von der Stirn auf seine Trainingsjacke in den Farben der venezolanischen Flagge.
Vor einer einfachen Hütte warten – teilweise schon seit Jahrhunderten – prominente PantheonbewohnerInnen auf die Ankunft von Chávez. Vorneweg die Gottheit María Lionza selbst. Daneben Indianerhäuptling Cacique Guaicaipuro und der ermordete Sklave Negro; Sagengestalten, die von der Volksreligion ebenfalls in den Stand von Göttern erhoben worden sind.
Wie der kurze Clip uns weissmachen will: Auch Herrn Guevara wurde trotz mancher Sünde Eintritt durch die heilige Pforte gewährt. Und vor allem Simón Bolivar, der Venezuela im 19. Jahrhundert in die Unabhängigkeit von Spanien führte, glänzt im Pantheon in seiner schmucken Uniform. Der Frauenanteil ist dort allerdings noch steigerungsfähig. Eine Quote wäre angebracht.
Bolivars Geist ärgert sich
Aber sind die Fernsehleute mit ihrem „Hugo in Heaven“ nicht ein bisschen voreilig? Laut der Kosmologie des „María Lionzo“-Kultes braucht eine Seele mindestens 15 Jahre, bis sie die materielle Welt endgültig verlassen hat und in den Pantheon einziehen kann, genauer: in die göttliche Kammer, die für politische Führer vorgesehen sind.
Chávez' Quartiersnahme könnte jedoch auf Widerstand stoßen, wie die britische Tageszeitung The Guardian bei Santiago Rondón in Erfahrung bringen konnte. Der Mann bezeichnet sich selbst als Medium, das in engen Kontakt mit dem Geist von Símon Bolivar steht. Und ausgerechnet Bolivar selbst soll sauer sein, weil Chávez 2010 die Exhumierung seiner Knochen angeordnet hatte.
Chávez, der sich Bolivar zum politischen Vorbild auserkoren hatte, hoffte, damit seine These beweisen zu können, dass der „Befreier“ einst von kolumbianischen Oligarchen vergiftet wurde. DNA-Tests blieben jedoch ergebnislos. Die meisten Historiker gehen davon aus, dass Bolivar an Tuberkulose starb.
Einfluss auf die Papstwahl
Es habe sich eine Frau bei ihm gemeldet, die von einem männlichen Geist besessen gewesen sei, so Rondón. Es handelte sich um Bolivar, der ihm mitteilte, dass er nicht glücklich darüber sei, was Chávez mit dem Land gemacht habe. Chávez habe seinen Namen missbraucht und seine Knochen berührt.“
Dem Ausbuddeln der eigenen Überreste beizuwohnen, mag auch dem Geist von Chávez dermaleinst blühen. Denn hartnäckig hält sich in Venezuela das Gerücht, auch der Presidente sei mit toxischen Mitteln um die Ecke gebracht worden – von den US-Imperialisten. Wem wird der Geist von Chávez wohl deswegen böse sein müssen?
Bolivar mischt sich also über sein Medium in den derzeitigen Wahlkampf ein, um Stimmung gegen die Chavistas zu machen? Aber Chávez selbst setzt noch einen drauf: Er gibt nicht nur den Segen spendenden Piepmatz für seinen Interimspräsidenten Maduro. Posthum soll er auch noch die Wahl des argentinischen Bischofs Jorge Mario Bergoglio zum Papst beeinflusst haben, behauptet, natürlich, Maduro. Pures Aufwärmtraining für die Wiederauferstehung?
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