VfL Bochum entlässt Trainer: Voll im Trend
Trainer Friedhelm Funkel muss den VfL Bochum verlassen. Schuld daran ist nicht nur der katastrophale Saisonstart des Zweitligisten, sondern auch dessen konzeptuelle Neuausrichtung.
BERLIN taz/dpa | Jens Todt hat so seine Vorstellungen von der Zukunft des VfL Bochum. "Jung" und "frech" soll der Verein aus dem Pott künftig werden. Doch zwischen der Wunschvorstellung des Vorstandes Todt und der Realität klafft noch eine beachtliche Lücke. Alt und unbeholfen sahen die Bochumer zuletzt aus. Trainer Friedhelm Funkel, ein Verfechter des reinen Ergebnisfußballs, hatte den Klub nach sieben Spieltagen trotz seines pragmatischen Ansatzes auf den vorletzten Tabellenplatz in Liga zwei geführt.
Man hatte zu Hause gegen St. Pauli und Greuther Fürth verloren, zuletzt auch gegen Dynamo Dresden im Rudolf-Harbig-Stadion. Die Torbilanz (5:12) war genauso erschreckend wie das Unvermögen der Mannschaft, sich gegen Widrigkeiten zu stemmen. Vorstand und Aufsichtsrat reagierten am Mittwoch: Funkel wurde entlassen. Der sagte, er sei enttäuscht, denn schon im nächsten Spiel, am Sonntag gegen Paderborn, "hätten wir die Wende geschafft".
An der Wende darf nun ein anderer Trainer arbeiten. Er soll schon am Wochenende auf der Bank sitzen. Diskutiert wird über diverse Namen. Man spricht beispielsweise über Marco Pezzaiuoli, jüngst von 1899 Hoffenheim gefeuert, und über Stephan Schmidt, den U19-Trainer des VfL Wolfsburg, der mit seiner Truppe die A-Junioren-Meisterschaft gewonnen hat. Er gilt als Kumpel von Todt. Er würde auch den Anspruch des neuen VfL verkörpern, verstärkt auf junge Kicker zu setzen.
"Der VfL hat in den vergangenen Jahren die Nachwuchsarbeit kontinuierlich weiterentwickelt", sagte Todt vor kurzem der taz: "Wir haben unser Scouting intensiviert und neu ausgerichtet. Bevor wir nach außen gucken, ob jemand für uns infrage kommt, nehmen wir die Spieler unter die Lupe, die uns im Jugend- oder U23-Bereich zur Verfügung stehen." Seit Saisonbeginn wird jede Nachwuchsmannschaft von Todt, einem Mitglied des Trainerstabs oder einem der Scouts regelmäßig beobachtet: "Aktuell führen wir gerade zwei talentierte A-Jugendliche an den Profibereich heran."
Infrastruktur "nicht ideal"
Todt will auch die Infrastruktur des Vereins umkrempeln, die er als "nicht ideal" bezeichnet. Ein weiterer Kunstrasenplatz mit Rasenheizung soll gebaut werden, sobald das Geld dafür da ist. Seit November kooperiert der VfL mit dem Zentrum für Sportpsychologie an der Ruhr-Universität. Todt: "Das müssen nicht existenzielle Probleme sein, mit denen sich die Spieler an Psychologen wenden. Vielmehr geht es darum, leistungshemmende Faktoren zu erkennen und daran zu arbeiten. Hier muss keiner auf die Couch, sondern im Mittelpunkt stehen psychologisches Coaching und psychologische Begleitung."
Im Aufsichtsrat sitzt seit geraumer Zeit ein Mann, der dem VfL mehr Pepp verleihen soll: der Humorist Frank Goosen. Das alles klingt nach Aufbruch und Imagekorrektur. Da passte es natürlich nicht so gut, dass der VfL, immerhin ein erklärter Aufstiegsaspirant, in die Niederungen der Tabelle abgerutscht war.
Die Resignation an der Castroper Straße hatte nach dem 1:2 bei Aufsteiger Dynamo am Montag um sich gegriffen. "Über den Aufstieg oder das obere Tabellendrittel müssen wir in den nächsten Wochen überhaupt nicht mehr reden", beklagte Todt die missliche Lage. "Unser Anspruch ist nicht erfüllt, nicht ansatzweise. Stattdessen müssen wir von Spiel zu Spiel schauen und endlich Punkte sammeln", sagte der 41-Jährige. Wenig später war es um Funkel geschehen. Dem blieb nur noch, sich mit Anstand zu verabschieden. "Es ist eben so. Ich muss es hinnehmen."
Funkel kennt diese Situation. Er ist seit 1990 im Trainergeschäft und hatte zuletzt selbst einräumen müssen, dass nichts mehr zusammenlief in seiner Mannschaft, die vor Saisonbeginn in zwei Relegationsspielen gegen Borussia Mönchengladbach knapp den Aufstieg in Liga eins verpasst hatte. "Die Spieler bekommen die einfachsten Dinge kaum hin", hatte Funkel angesichts der Formschwäche seiner Elf gesagt.
Jens Todt wird Funkel nicht lange nachtrauern, denn für den Exprofi und Teilzeitjournalisten (Spiegel Online) verkörpert er den alten Geist der Bundesliga. Ein junger, dynamischer Konzepttrainer soll es jetzt in Bochum richten, einer, der dem aktuellen Trend im deutschen Fußball entspricht. In dieser Hinsicht war Friedhelm Funkel ein Auslaufmodell.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will