piwik no script img

VfB Stuttgart gegen FC AugsburgFans werden zorniger

Der VfB Stuttgart beweist beim 0:4 gegen Augsburg, dass auf eine schlechte Defensivleistung eine noch schlechtere folgen kann – die Aussichten sind trüb.

Augen zuhalten ist die kurzfristige Lösung: Alexander Zorniger Foto: dpa

Stuttgart taz | Als das vielleicht grausamste Spiel zu Ende war, das der VfB Stuttgart seinen Anhängern in den vergangenen Jahren zugemutet hat, schauten die verbliebenen Fans erstmals an diesem Nachmittag mit neugierigem Interesse auf den Platz.

Das Gros der Spieler war da schon in die Kabine gegangen, doch Christian Gentner und Sportdirektor Robin Dutt redeten noch miteinander. Daraufhin beorderte der Stuttgarter Kapitän die Kollegen wieder auf den Platz, das wohl sinnloseste Ritual des Profifußballs ging vonstatten: Spieler, die mit gesenktem Kopf Richtung Fankurve schreiten – und dort mit Fuckfingern und Schmähungen begrüßt werden.

Die Mannschaft, das erklärte Dutt später, hatte sich zunächst geweigert, sich bei den Fans für eine Unterstützung zu bedanken, die es an diesem Tag nicht gegeben hatte. Nachdem klar war, dass dieser Tag mit einer Niederlage enden würde (also nach dem ersten von vier Augsburger Treffern in der 11. Minute) stellten die VfB-Fans die Unterstützung weitgehend ein, um sich ab der 60. Minute (also dem 0:4) in Hohn und Spott zu ergehen: La Olà schwappte durchs weite Rund, das sich zu diesem Zeitpunkt schon gut zur Hälfte geleert hatte.

„Oh, wie ist das schön ...“

Und wer seiner Stimme noch Kraft verleihen konnte, sang ein Lied, das in den vergangenen Jahren vereinsübergreifend vom Freudengesang zum Ausdruck tiefster Verzweiflung geworden ist: „Oh, wie ist das schön ...“ Das war offenbar zunächst zu viel der Häme für eine Stuttgarter Mannschaft, die zumindest nach dem Schlusspfiff ihre Selbstachtung wiederentdeckt hatte. Und sich gebührend einsichtig gab: „Die Leistung war katastrophal“, sagte Florian Klein. „Bei uns wird zu wenig kommuniziert“, so Gentner, „die Abstimmung stimmte nicht.“

Diese Analyse stimmte allerdings – und war dennoch fast schon schönfärberisch. Hätten die munteren Augsburger nicht unmittelbar nach der Halbzeit beschlossen, ihre Bemühungen rapide zu drosseln, hätte der VfB eine noch höhere Niederlage kassiert. Nicht einen vernünftigen Angriff brachten die Stuttgarter aufs Tableau, die sich dafür defensiv nach allen Regeln der Kunst blamierten: Die beiden Innenverteidiger, Fabian Baumgartl und der früh ausgewechselte Toni Sunjic, brachten zu keiner Phase des Spiels das Zentrum unter Kontrolle, auf den Außenbahnen bewiesen Daniel Schwaab und Emiliano Insua einmal mehr, dass ihnen schlicht Tempo und Klassen fehlen, um in der Ersten Liga konkurrenzfähig zu sein.

Hinzu kam eine katastrophale Raumaufteilung. Den Augsburger genügten oft simple Seitenverlagerungen, um den VfB zu überlaufen. „Uns hat heute zu jeder Phase des Spiels die Kompaktheit gefehlt“, hatte dann auch Coach Alexander Zorniger erkannt. „So konnten wir gar nicht ins Umschaltspiel kommen.“

Nun ahnt natürlich auch Zorniger, dass fachliche Analysen eine gewisse Ranzigkeit an den Tag legen, wenn ein Trainer vom Saisonstart weg angezählt ist. Sportdirektor Dutt hat am Samstag allerdings noch mal sehr deutlich betont, dass man intern den Trainer nicht infrage stellt, auch kommendes Wochenende, beim BVB, wird der Mann also Trainer sein.

Dass sich am Samstag etwas verändert hat, ist allerdings eben auch nicht von der Hand zu weisen. Erstmals in dieser Saison haben die Fans den Spielern die Loyalität aufgekündigt. Der Eindruck: Eine Mannschaft, die so dilettantisch verteidigt, kann diesmal wirklich absteigen. Zumal der VfB nicht gut bei Kasse ist. Dutt verkündete deshalb auch wohlweislich, er werde „versuchen“, im Winter neue Defensivkräfte zu verpflichten.

Ist der Trainer schuld?

Dass die Stuttgarter Malaise schlicht und einfach eine Qualitätsfrage ist und deshalb vielleicht gar nicht so viel mit der Person des Trainers zu tun hat, ist allerdings ebenso Fakt wie die Tatsache, dass der angeblich so starrsinnige Zorniger nun schon seit geraumer Zeit einen allenfalls kontrollierten Offensivfußball spielen lässt.

Falls der VfB je blind angestürmt hat, tut er das jetzt nicht mehr. Die Gesamtsituation ist dadurch allerdings nicht besser geworden, wie er selbst ahnt: „Das Spiel heute wird nicht den Glauben an das verfestigen, was wir gerade machen. Weder in der Tabelle noch abseits vom Platz.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!