Verzicht auf Freibrief für Ukraine-Einsatz: Putin ist um Entspannung bemüht
Aufständische in der Ostukraine haben einer Feuerpause zugestimmt. Putin will indes auf seine vorsorgliche Genehmigung eines Militäreinsatzes verzichten.
DONEZK dpa | In den Ostukrainekonflikt kommt etwas Bewegung: Der russische Präsident Wladimir Putin will seinen Freibrief für einen Militär-Einsatz gegen das Nachbarland offenbar rückgängig machen. Putin habe das Parlament gebeten, die Resolution vom 1. März zur Genehmigung militärischer Gewalt gegen die Ukraine zu streichen, sagte sein Sprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen. Auch die Waffenruhe in der Ostukraine schien am Dienstag stabil.
Auf dem Höhepunkt der Krim-Krise hatte der Föderationsrat Putin am 1. März vorsorglich einen Militäreinsatz genehmigt. Der Präsident hatte erklärt, dies sei nötig zur Wahrung russischer Interessen auf der Krim. Offiziell hat er jedoch nie davon Gebrauch gemacht und bis zur Annexion der einst ukrainischen Halbinsel abgestritten, dass russische Soldaten auf ukrainischem Territorium sind.
Nach Angaben seines Sprechers richtete Putin nun ein Schreiben an den Präsidenten des Föderationsrats und bat darum, die Genehmigung zurückzuziehen.
Am Montag hatten prorussische Separatisten im Osten des Landes einer von der Regierung bis Freitag angeordneten Waffenruhe zugestimmt. Vorausgegangen waren überraschende Gespräche der Aufständischen mit Vertretern Russlands und der OSZE in der Separatistenhochburg Donezk.
Die Feuerpause gilt als zentrales Element eines 15 Punkte umfassenden Friedensplans des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Sie soll den moskautreuen Aufständischen Zeit geben, ihre Waffen niederzulegen.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier trifft Poroschenko am Dienstag in Kiew. Auch ein Gespräch des SPD-Politikers mit Ministerpräsident Arseni Jazenjuk ist geplant. Steinmeier will ausloten, wie die EU den Friedensplan für die Ostukraine weiter unterstützen kann.
„Das ist ganz ohne Zweifel eine entscheidende Woche für die Ukraine“, sagte der SPD-Politiker vor der Abreise vom EU-Außenministertreffen in Luxemburg. Die Ressortchefs behielten sich dabei weitere Sanktionen gegen Russland vor und forderten Moskau auf, Poroschenkos Friedensplan tatkräftig zu unterstützen.
Lawrow fordert Waffenruhe statte Feuerpause
Zu dem überraschenden Treffen in Donezk hatte Poroschenko einen seiner Vorgänger, Leonid Kutschma, entsandt. Auch Russlands Botschafter Michail Surabow und die Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nahmen teil.
Im Hintergrund agierte der ukrainische Politiker Viktor Medwedtschuk. Der prorussische Oligarch, der auf der Sanktionsliste der USA steht, war vom russischen Präsidenten Wladimir Putin vor kurzem als möglicher Vermittler genannt worden. Moskau hatte stets Gespräche aller Seiten im krisengeschüttelten Nachbarland gefordert.
Die Aufständischen würden als Reaktion auf Poroschenkos Friedensplan das Feuer bis zu diesem Freitag einstellen, teilte der selbsternannte Ministerpräsident der von Kiew nicht anerkannten „Volksrepublik Donezk“, Alexander Borodaj, nach dem Treffen in Donezk mit.
Aus Russland kamen zustimmende Worte. Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte allerdings eine dauerhafte Waffenruhe und nicht nur eine Feuerpause.
Poroschenko hatte zuvor Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über einen mehrfachen Bruch der von ihm angeordneten Waffenruhe informiert. Innerhalb von 24 Stunden hätten militante prorussische Kräfte in den Gebieten Donezk und Lugansk mehr als 20 Mal die Feuerpause gebrochen. Es war der erste öffentliche Vorwurf Kiews, dass die Waffenruhe nicht eingehalten werde.
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