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Verwirrung um Impfreihenfolge in BerlinSchöne Ankündigung, nix dahinter

Berlin hebt die Priorisierung der Impfreihenfolge nun doch nicht auf. Viele ÄrztInnen sind verärgert angesichts des Kommunikationschaos.

Knappes Gut: Impfstoff gegen das Corona-Virus Foto: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

Berlin taz | Seit Montag kann je­de*r BerlinerIn einen Termin in einer Arztpraxis vereinbaren, um sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen – die Priorisierung der Impfreihenfolge nach Alter oder Berufsgruppen ist aufgehoben. Doch diese vermeintlich gute Nachricht, die Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Freitag verkündete, entpuppte sich bereits an Tag eins der Umsetzung als wenig haltbar. „Die richtige Botschaft ist vielmehr, dass sich die Praxen weiterhin an den Prio-Gruppen orientieren werden“, sagt Dörthe Arnold, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV), auf taz-Anfrage. „Es hat sich also eigentlich nichts geändert.“

Eine Pressemitteilung der Gesundheitsverwaltung war am Freitag mit den Worten überschrieben, der Senat habe die „Aufhebung der Priorisierung für das Impfen in Arztpraxen und bei betriebsärztlichen Impfungen“ beschlossen. Tatsächlich kündigte man aber nur an, es sei den Praxen und BetriebsärztInnen fortan erlaubt, von der Corona-Impfverordnung abzuweichen, „wenn sie die ihnen zu Verfügung stehenden Impfdosen nicht durch priorisierte Personen verbrauchen können.“

Das aber ist auch nichts Neues, wie KV-Sprecherin Arnold betont: „Das war auch vorher schon so in der Bundes-Impfverordnung geregelt.“ In der Öffentlichkeit sei allerdings angekommen: Berlin hebt die Impfreihenfolge auf. „Dabei konnten die Praxen die Anfragen schon vorher nicht auffangen, geschweige denn abarbeiten.“

AstraZeneca ist noch da

Das berichtet auch Detlef Bothe, Internist mit eigener Praxis in Moabit: 6 bis 18 Dosen Biontech habe er pro Woche zur Verfügung. „Aber unsere Warteliste ist endlos.“ Alleine die Prio-Gruppe 3 sei „sehr groß.“

Eher zum Zuge komme, wer als jüngerer Mensch auf eigenes Risiko auch eine Impfung mit dem Wirkstoff von AstraZeneca nehme, der derzeit nur für Menschen über 60 empfohlen wird. „Da haben wir kürzlich 100 Dosen bekommen.“ Weil sich der Impfstoff von AstraZeneca unkomplizierter und länger lagern lässt, sei die verhaltene Nachfrage danach auch kein Problem und die Verimpfung trotzdem organisierbar.

Ab Juni hat das Bundesgesundheitsministerium rund 3,5 Millionen Dosen Biontech bundesweit pro Woche nur für die Praxen in Aussicht gestellt. Bisher waren es im Mai 1,5 Millionen Dosen pro Woche. Berlin bekommt davon nach einem Verteilschlüssel für die Länder 4,2 Prozent.

Internist Bothe bezweifelt allerdings, ob die Praxen die Kapazitäten einfach hochfahren können, selbst wenn mehr Impfstoff da ist: „Mein Wartezimmer ist nur begrenzt groß, und wenn die Menschen dort auf Abstand sitzen müssen und ich zudem darauf achten muss, dass jeder nach der Impfung noch 15 Minuten zur Beobachtung bleibt, dann setzt das natürlich eine Grenze, was möglich ist.“

In Berlin waren am Montag 1,67 Millionen Menschen mindestens einmal gegen das Corona-Virus geimpft. 12,2 Prozent von ihnen hatten bereits eine zweite Impfung.

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1 Kommentar

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Feuer frei für das totale Chaos.



    Was soll das?



    Die Hausärzte sind heillos überfordert, das Telefon (oft gibt es nur eins) läutet ständig wegen der Impftermine. Die Ärzte sind aber auch nicht in der Lage, sich des WWW zu bedienen. Dort könnte man schon mal ein Großteil der Anfragen beantworten - z.B. bis zum x.x.x. ausgebucht.



    Das Schlimme ist, ganz "normale" Patienten kommen natürlich auch nicht durch.

    Organisation & Logistik Note 6.