Verwirrung um HSV-Profi: Wer ist Bakery Jatta?
Dem HSV-Spieler wird vorgeworfen, mit falscher Identität zu spielen. Außerdem soll er über frühere Erfahrungen gelogen haben. Stimmt das?
Als der Hamburger SV im Jahr 2016 den jungen Mann, der im Sommer 2015 über die Sahara und das Mittelmeer nach Deutschland geflüchtet war, unter Vertrag nehmen wollte, hatte er ganz offiziell eine Eingabe auf der Fifa-Plattform „Transfer Matching System“ (TMS), auf der internationale Spielerwechsel abgewickelt werden, erstellt. Der gambische Verband, der ein Spieler Bakery Jatta bekannt war, erteilte die Internationale Freigabe (ITC) mit Player Passport (Spielerpass).
Das haben sowohl die Deutsche Fußballliga (DFL) als auch die Gambia Football Federation (GFF) der taz bestätigt. Wenn sich diese Informationen als richtig erweisen, wäre die im Raum stehende Behauptung, Jatta habe sich unter Angabe einer falschen Identität eine deutsche Aufenthaltsgenehmigung erschlichen falsch.
Zugleich falsch wäre aber die im Raum stehende Behauptung, Jatta habe in Gambia nie in einem Verein Fußball gespielt. diese Behauptung, die aus Jatta eine Art Wunderkind machte – der geflüchtete Jugendliche, der es beinah ohne Umweg in die Bundesliga schafft -, basierte auf Interviewsätzen, die seitens des HSV und der Bild-Zeitung kolportiert wurden.
Im Juni 2016 wurde Jatta auf der HSV-Website zitiert: „Ich habe in Afrika in keinem Verein gespielt, das gab es dort nicht, höchstens mal am Wochenende konnte man ein betreutes Training machen.“ Auf der Straße habe er gekickt und sich alles selbst beigebracht, sagte er da. „Deshalb ist es für mich ein großes Glück, dass ich nun so professionell trainieren und lernen darf.“ Und Bild hatte ihn im Mai 2017 – da war er schon zwei Jahre in Deutschland – in einem Porträt so zitiert: „Vor wenigen Monaten habe ich noch mit meinen Freunden in Afrika gekickt. Meist barfuß und auf Beton.“
„Das sind verschiedene Personen“
Da der HSV die Freigabe beantragt hat, weiß er auch, dass sein Profi Jatta seit 1. Februar 2014 bei Brikama United unter Vertrag war. Zur Klärung der Frage, wie es zu der Veröffentlichung eines Interviews auf der HSV-Website kommen konnte, wo es anders dargestellt wird, konnte die taz bis Redaktionsschluss vom HSV keine Stellungnahme erhalten. Daher bleiben nur Spekulationen: Hat Jatta nur gemeint, er habe noch nie bei einem so professionellen Verein gespielt? Oder wie sieht es mit eventuell fälligen Ablösesesummen aus, die der HSV nach Gambia überweisen müsste?
Dass Jatta – die Schreibweise das Vornamens variiert immer zwischen Bakary und Bakery – nicht identisch mit einem Spieler namens Daffeh ist, behauptet auch Modou Njia, ein Onkel von ihm, der in Bremen lebt. „Ich kannte ihn in Gambia als Kind, und ich habe immer noch Kontakt zu ihm“, sagt er. „Daffeh und Jatta, das sind verschiedene Personen.“ Er sagt auch, Jatta sei sicher 1998 geboren und habe in Gambia nie in einem Verein Fußball gespielt. Nija erklärt sich den Umstand, dass Sport-Bild zwei Trainer präsentiert, die die These von der falschen Identität behaupten, sie seien wohl bestochen worden oder ihnen sei eine Belohnung in Aussicht gestellt worden. Seit der Skandal losgebrochen sei, also nach der Veröffentlichung in der Sport-Bild, habe er jedoch keinen Kontakt mehr zu seinem Verwandten.
Beim gambischen Fußballverband ist man überrascht von der ganzen Sache. Ebou Faye, Vizepräsident, der aber Wert darauf legt, nicht als Funktionär zu sprechen, sagt: „Ich persönlich wusste über Jatta Bescheid, nicht über Daffeh.“ Jatta habe nie in der ersten Liga Gambias gespielt. Bei Brikama United aber sehr wohl.
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