Verwirrung über Kämpfe in Libyen: Grüne Fahnen in Bani Walid?
Ehemalige Rebellen umstellen die Wüstentadt, die Gaddafi-Anhänger angeblich zurückerobert haben. Es gibt Proteste gegen den Übergangsrat.
TRIPOLIS/BERLIN dpa/taz |Nach einem Wiederaufflammen der Kämpfe in der einstigen Gaddafi-Hochburg Bani Walid haben ehemalige Rebellen die Stadt am Dienstag umstellt. Der Vorsitzende des Übergangsrates der Stadt sagte im libyschen Fernsehen, die Angreifer, die am Montag einen Stützpunkt der "Revolutionäre" in Bani Walid angegriffen und unter ihre Kontrolle gebracht hätten, gehörten zu den "Überbleibseln des Gaddafi-Regimes". Sie hätten während des Krieges im vergangenen Jahr mit Seif al-Islam, einem der Söhne des im Oktober getöteten Machthabers Muammar al-Gaddafi, gekämpft.
Ein Reporter des Nachrichtensenders Al-Arabija meldete, in den vergangenen Stunden seien ehemalige Revolutionstruppen aus Bengasi und anderen Städten nach Bani Walid gefahren. Sie hätten gesagt, sie wollten "die Stadt ein zweites Mal befreien". Bis zum Abend seien jedoch keine Schüsse gefallen.
Der Innenminister der Übergangsregierung, Fausi Abdel Aal, hatte zuvor in einer Fernsehansprache gesagt, wer mit dem alten Regime sympathisiere, habe keine Gnade zu erwarten. Am Montag waren bei dem Angriff in Bani Walid nach seinen Angaben fünf "Revolutionäre" getötet und 20 Menschen verletzt worden. Bani Walid hatte neben Gaddafis Heimatstadt Sirte im vergangenen Herbst zu den letzten Bastionen des alten Regimes gezählt.
Zuvor hatten Nachrichtenagenturen gemeldet, Bani Walid sei von Anhängern Gaddafis eingenommen worden. Dabei seien fünf Personen getötet worden. Auslöser der Kämpfe sei den Meldungen zufolge die Festnahme von Gaddafi-Anhängern. Daraufhin hätten diese einen Stützpunkt der ehemaligen Rebellen gestürmt, die Kontrolle über die Stadt übernommen und grüne Fahnen gehisst. Wie Reuters hingegen am Dienstag aus Bani Walid berichtete, wollten lokale Würdenträger ihre eigene Stadtverwaltung bilden. Sie lehnten jeden Einfluss aus Tripolis ab und seien keine Anhänger Gaddafis. Der Berichterstatter konnte keine grünen Fahnen in der Stadt entdecken.
Regierungsgebäude in Bengasi gestürmt
Der Vorfall in Bani Walid erfolgte kurz nach heftigen Protesten gegen den herrschenden Nationalen Übergangsrat (TNC) in Bengasi. Dort, im Geburtsort der libyschen Revolution am 17. Februar vergangenen Jahres, hatten Demonstranten am Samstag den Sitz des TNC gestürmt und die Fassade des Gebäudes in Brand gesetzt. Die Protestierenden werfen dem TNC mangelnde Transparenz und die Zusammenarbeit mit ehemaligen Gaddafi-Mitarbeitern vor. Daraufhin kündigte der Vizepräsident des Übergangsrats, Abdel Hafes Ghoga, am Sonntag seinen Rücktritt an. Er stand besonders in der Kritik. Ghoga erklärte gegenüber al-Dschasira, sein Rücktritt erfolge zum Wohl der Nation und sei zu diesem Zeitpunkt notwendig. Er fügte hinzu, der nationale Konsens während des Aufstands habe nach Kriegsende nicht gehalten. Stattdessen habe sich eine Atmosphäre des Hasses ausgebreitet.
Während der Übergangsrat am Sonntag in Bengasi an einem unbekannten Ort tagte, warnte dessen Vorsitzender, Mustafa Abdul Dschalil, am Abend gegenüber einem libyschen Fernsehsender vor neuer Gewalt. "Wir treten nicht zurück, weil dies zu einem Bürgerkrieg führen würde", sagte Dschalil laut afp.In Bengasi und anderen Städten Libyens kommt es seit Wochen immer wieder zu Demonstrationen und Sit-Ins gegen den Übergangsrat. B.S.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP