Verwirrung im Welt-Online-Forum: IP-Listen an den Verfassungsschutz
Im Forum von Welt-Online drohen Moderatoren Usern mit dem Verfassungsschutz. Dabei handelte es sich offenbar um ein Fake. In Kürze soll das System umgestellt werden.
BERLIN taz | Arbeitet die Springer-Zeitung Die Welt tatsächlich mit dem Verfassungsschutz zusammen oder hat sie nur ein leicht zu manipulierendes Diskussionsforum im Internet?
Am Sonntag berichtete Welt-Online unter dem Titel "Wie arglose Urlauber zu leichten Opfern werden" über die angebliche Abzocke von deutschen Urlaubern im Ausland. Sofort tauchten im Internet-Forum zahlreiche ausländerfeindliche Bemerkungen auf, die von den Moderatoren aber schnell gelöscht wurden, was jedoch zu Protesten führte.
Um 18.31 Uhr tauchte dann folgender Vermerk der "Welt-Online-Moderatoren" auf: "Halten Sie sich bitte an die Netiquette und äußern Sie hier keine ausländerfeindlichen Kommentare oder wir stellen die Kommentarfunktion ab. Bedenken Sie bitte, dass wir zur Überprüfung alle IPs dem Verfassungsschutz melden." IPs sind Internet-Protokoll-Adressen, mit denen unter Umständen herausgefunden werden kann, wer einen bestimmten Kommentar gepostet hat.
Die Drohung mit dem Verfassungsschutz sorgte sofort für Wirbel - im Welt-Online-Forum, aber auch bei Bloggern außerhalb. "Sollte sich Ihr Blättchen nicht lieber auf Journalismus konzentrieren, statt IP-Listen an den Verfassungsschutz zu melden?" fragte etwa ein Welt-Online-Diskutant.
Im Laufe der Nacht kamen dann aber doch Zweifel auf, denn die Nachrichten der "Welt-Online-Moderatoren" wurden immer skurriler. "Wir haben dieses Lotterleben satt. Alle lachen uns aus, niemand erkennt unser Potenzial. Wir meinen es ernst …" hieß es um 23.26 Uhr in Anspielung auf die gefälschte Ankündigung des Amoklaufs von Winnenden.
Langsam merkten auch andere User, dass sich offensichtlich jeder als "Welt-Online-Moderator" an der Debatte beteiligen kann. "Das Formular nimmt wohl alles an?", fragte ein erstaunter Nutzer um 23.54 Uhr. Auch er hatte sich als "Welt-Online-Moderatoren" eingeloggt.
Blieb also nur die Frage, ob die ursprüngliche Ankündundigung zur Weitergabe der IP-Adressen echt oder auch schon ein Fake war.
Welt-Debatten-Chef Holger Melas stellte auf Nachfrage klar: "Das war ein Fake. Wir geben IP-Adressen nur auf richterliche Anforderung heraus." Die Welt sei eben eine der wenigen Tageszeitungen, bei denen die Leser direkt auf der Online-Seite kommentieren können und unflätige Postings erst nachträglich entfernt werden. "In einigen Wochen werden wir das System allerdings so einstellen, dass die Kommentare der echten Moderatoren farblich gekennzeichnet werden. Dann kann sich nicht mehr jeder als Welt-Online-Moderator ausgeben."
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!