: Verwirrte Öffentlichkeit-betr.: "Laubbaum legt Raupen lahm", Wissenschaftsseite, taz vom 28.2.92
betr.: „Laubbaum legt Raupen lahm“, Wissenschaftsseite, taz vom 28.2.92
Sehr geehrte Damen und Herren Journalisten/Innen,
seit wann werden denn bei euch Artikel unter Pseudonym veröffentlicht? Das ist doch zumindest bei „Laubbaum legt Raupen lahm“ völliger Unfug. Von den vielleicht zwei Dutzend deutschsprechenden Frauen, die sich weltweit aktiv und kompetent mit dem Neem-Baum beschäftigen, ist ungefähr eine mit der Situation in Nicaragua vertraut! Was soll's?
Leider scheint zumindest der zweite Teil des Artikels weniger aus dem Bedürfnis geschrieben zu sein, die Öffentlichkeit zu informieren, als aus demjenigen, sie (vorsichtig ausgedrückt) zu verwirren — und das schadet der für nicht-industrialisierte und industrialisierte Länder wichtigen Sache.
Wie im ersten Teil des Artikels dargestellt, handelt es sich bei den Neem-Wirkstoffen um eine der wenigen Möglichkeiten, praxisrelevante Alternativen zu chemischen Pestiziden zu entwickeln — neben all den anderen Vorteilen die die Nutzung des Neem—Baumes bieten kann, wie: Aufforstung, Ölgewinnung, Bau- und Feuerholzversorgung, biologische Düngung, möglicherweise sogar potente medizinische Wirkstoffe. Insbesondere im Bezug auf die Anlage von Neem- Pflanzungen scheint das „Nicaraguanische Modell“ beispielhaft zu sein.
Warum disqualifiziert sich die Autorin dann, wenn es um die Herstellung eines „marktfähigen“ Produktes geht selbst ab? Die Entwicklung eines hochwirksamen und insbesondere lagerfähigen Wirkstoffkonzentrates ist das zentrale wissenschaftliche Problem der Neem-Insektizide. Deren Entwicklung kann und soll nicht die in verschiedenen Ländern, häufig mit Unterstützung der GTZ entwickelten, Anwendungen einfacher, nicht lagerfähiger Extrakte verdrängen. Für die vielen Länder, die aus klimatischen Gründen nicht selbst Neem anbauen können, ist Lagerstabilität eine grundsätzliche Voraussetzung für die Nutzung dieses umweltfreundlichen Pflanzenschutzmittels, das natürlich auch nur im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen des ökologischen Landbaus oder integrierten Pflanzenschutz Anwendung finden kann.
Seit sich die Trifolio-M — wir sind ein Kleinstbetrieb mit zur Zeit 5 Leuten — mit Neem-Inhaltsstoffen beschäftigt, war es das erklärte Ziel unserer Untersuchungen, ein lagerfähiges, gegen chemische Mittel konkurrenzfähiges Neem-Endprodukt zu entwickeln, das in den Ländern, in denen der Neem-Baum wächst, vollständig hergestellt werden kann und soll. Zusätzlich zur Eigenversorgung mit Pflanzenschutzmitteln (und damit der Einsparung von Devisen) bietet der Export von Neem-Insektizid die Möglichkeit Devisen zu erlangen.
Diese Zielvorstellungen, sowie die Tatsache, daß wir in dieser Richtung in den letzten Jahren sehr weit voran gekommen sind, sind der Autorin seit langem bekannt. Offen ist, warum sie es nötig zu haben scheint, uns mit Lügen in einen Topf mit der chemischen Großindustrie werfen zu wollen und auf nahezu alle unqualifiziert und undifferenziert einzudreschen, die sich in- und außerhalb der BRD mit Neem beschäftigen.
Da hier bekannte bzw. leicht zugängliche Informationen nicht berücksichtigt wurden, können wir daraus nur schließen, daß die angestrebte politische Interpretation nicht durch „störende“ Fakten und differenzierte Argumente zunichte gemacht werden soll. Aus diesen politischen Kinderschuhen sollte auch die Autorin herausgewachsen sein.
Wenn der Rundumschlag schließlich damit endet, die für die Zulassung von Pestiziden zuständige Biologische Bundesanstalt (BBA) deshalb in die Nähe der Steigbügelhalterei für die chemische Großindustrie zu rücken, weil sie nicht ungeprüft ein umweltfreundliches Mittel von Alternativfirmen zulassen will, so muß auch dies von verschiedenen Seiten beleuchtet werden. Zum einen ist nicht auszudenken, wieviele giftigere und/oder unwirksame Pflanzenschutzmittel zusätzlich zu den vorhandenen auf dem Markt wären, gäbe es nicht die wenigstens etwas regulierende Funktion der BBA.
Andererseits muß überdacht werden, welche Zulassungsbedingungen für botanische Pestizide sinnvollerweise anzuwenden sind. Der BBA als einziges Motiv für die bestehende Zulassungssituation Nähe zur Großindustrie zu unterstellen ist politisch primitiv.
Schutz dem Umwelt und Produktion genügender Mengen an qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln sind die größten Probleme, die weltweit gelöst werden müssen. Dazu kann Neem einen wichtigen Beitrag leisten. Um diese sinnvolle Alternative möglichst zügig und umfassend zu entwickeln, ist die Unterstützung der Industrieländer dringend notwendig. [...] H. Kleeberg, Lahnau
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