Krieg im Gazastreifen: Netanjahu fordert Vertreibung der Palästinenser
Israels Premier macht die „Umsiedlung“ der Palästinenser zur Bedingung für ein Ende des Krieges. Mitglieder seiner Regierung fordern dies schon lange.

Auch bekannt unter den Namen „Rivera des Nahen Ostens“, hatte Trump im Februar vom Wiederaufbau des Gazastreifens ohne die Palästinenser gesprochen. Indem Netanjahu diesen Plan nun als Bedingung für ein Ende des Krieges formuliert, folgt er den Aussagen einiger seiner rechtsextremen Regierungsmitglieder, die schon lange offen die Vertreibung der Palästinenser propagieren.
So verkündet Finanzminister Bezalel Smotrich kürzlich, dass Israel „alles zerstören wird, was von Gaza übrig ist“. Er forderte, die Bevölkerung in einer kleinen „humanitären Zone“ im Süden zu konzentrieren. Ein Großteil der mehr als zwei Millionen Einwohner sollte dann zur Auswanderung in Drittländer bewegt werden.
In seiner neuesten Pressekonferenz stellte Netanjahu eine ganze Liste weiterer Forderungen. „Wir sind bereit, den Krieg zu beenden, aber nur unter Bedingungen, die die Sicherheit Israels gewährleisten“, erklärte er. Dazu zählte er die Freilassung der Geiseln, dass die Hamas ihre Macht im Gazastreifen aufgibt und sich entwaffnet.
Netanjahu verweigerte zweite Phase des Abkommens mit der Hamas
Eigentlich war bei einem Waffenstillstandsdeal im Januar zwischen Israel und der Hamas ausgemacht worden, dass die Geiseln in mehreren Phasen mit palästinensischen Gefangen ausgetauscht werden. In der zweiten Phase sollten die letzten Geiseln freigelassen werden, wenn sich Israel zu einem Rückzug und permanentem Waffenstillstand verpflichtet. Während beide Seiten die Bedingungen der ersten Phase erfüllten, weigerte sich Netanjahu, die zweite Phase zu beginnen.
Benjamin Netanjahu
Der Krieg werde nicht beendet, bis die Hamas zerstört sei, rechtfertigte er damals seine Weigerung. Die Hamas bot daraufhin die Freilassung aller Geiseln auf einen Schlag an, wenn sich Netanjahu zu einem Kriegsende verpflichtet. Sie erklärte sich bereit, in Verhandlungen einzutreten und ihre Macht in Gaza abzugeben, wenn sich Israel zurückzieht und die Waffenpause permanent wird.
Der israelische Premier brach daraufhin im März den Waffenstillstand. Es begann die neuen Offensive mit dem Namen Operation „Gideons Streitwagen“, um, wie Netanjahu erneut in seiner Pressekonferenz betonte, „die Arbeit zu vollenden“.Erklärtes Ziel der Operation ist es, den Gazastreifen vollkommen unter die Kontrolle der israelischen Armee zu bringen.
„Wir werden gewinnen und es wird nicht weitere eineinhalb Jahre dauern. Ich möchte unsere Pläne nicht verraten, aber wir werden eine Entscheidung herbeiführen und eine andre Zukunft für Gaza schaffen“, sagte Netanjahu am Mittwoch. Er machte sich auch über die Hamas lustig: „Sie greifen uns mit Flip-Flops und Kalaschnikows an und mit schrottigen Pick-up-Trucks.“
Arabische Länder nicht bereit zur Aufnahme
Ob Israel fähig ist, die Hamas militärisch zu besiegen und Gaza komplett zu besetzen, ohne dass es dabei zu weiteren Operationen der Hamas kommt, ist zweifelhaft. Genau deswegen propagieren rechtsextreme israelische Regierungsmitglieder und jetzt auch Netanjahu selbst – über den Umweg des Trump-Plans – die Vertreibung der Palästinenser. Dabei wird oft von „freiwilliger Ausreise“ geredet, nachdem den Menschen in Gaza buchstäblich die Lebensgrundlage zerstört wurde.
Abgesehen davon, dass Derartiges internationales Recht verletzt, gibt es dabei für die israelische Regierung auch ein praktisches Problem. Kein arabisches Land hat sich bisher bereit erklärt, bei einer solchen, wie es in den arabischen Medien betitelt wird, „ethnischen Säuberung“ des Gazastreifens, als Aufnahmeland zu dienen.
Auch international stößt ein solcher offener Rechtsbruch auf Widerspruch – selbst bei der deutschen Bundesregierung, einer der wichtigsten Verbündeten Israels. In einer „Gemeinsamen Erklärung der Geber zur humanitären Hilfe für Gaza, die letzten Montag von Deutschland und 21 weiteren Staaten unterzeichnet wurde, hieß es unmissverständlich, dass „das palästinensisches Gebiet weder beschnitten noch einer demografischen Veränderung unterworfen werden darf“. Konsequenzen dafür, wurden bisher keine angedroht.
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