■ Kommentar: Vertrauensbeweis?
Etwas überraschend ist dieses tiefe Vertrauen in die Weisheit der Bundesregierung schon. Ausgerechnet das Duo Kohl/Kinkel soll herausfinden, ob es in der Türkei nicht doch noch irgendwo ein für die Kurden sicheres Plätzchen gibt. Allein davon will der SPD-Senat eine Verlängerung des Abschiebestopps abhängig machen.
Nicht nur, daß Hamburg damit hinter den Entscheidungen anderer SPD regierter Bundesländer zurückbleibt. Nicht wie Rheinland-Pfalz, Schleswig Holstein oder Niedersachsen den weitest möglichen Schritt eines sechsmonatigen Abschiebestopps macht. Nicht darauf setzt, daß nach dieser Frist womöglich eine SPD-Bundesregierung für die Außenpolitik zuständig ist.
Der Senat wertet mit dieser Entscheidung auch die Bundesregierung auf, indem er ihr außenpolitische Kompetenz und Aufrichtigkeit zuschreibt, die sie in den vergangenen Jahren eben nicht bewiesen hat. Im Gegenteil: Was Fehleinschätzungen angeht - ein Blick ins ehemalige Jugoslawien genügt. Was einen ehrlichen Umgang mit dem türkischen Regime angeht - noch heute leugnet die Bundesregierung den Einsatz ehemals deutscher Waffen in Kurdistan. Die Gegenbeweise - zu empfehlen ein gelegentlicher Blick auf die Berichterstattung des Fernsehmagazins Monitor - sind Legion.
Innensenator Hackmann hat der taz gestern versichert, daß kurdische Flüchtlinge aus Hamburg nicht in die Westtürkei abgeschoben werden, solange nicht zweifelsfrei feststeht, daß ihnen dort keine Verfolgung droht. Das ist lobenswert. Daran zu glauben, daß diese Bundesregierung derartige Zweifel schriftlich fixieren würde, entbehrt jeder Grundlage. Und läßt befürchten, daß Hackmanns Zusicherung nicht allzu lange Bestand hat.
Uli Exner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen