piwik no script img

Verteilung der ForschungStreben in Städte

Forschungseinrichtungen drängen in die Ballungszentren. Vor allem die öffentlichen Wissenschaftsprojekte meiden das Land.

Innenstadt von Jena Foto: Christoph Worsch/imago

Berlin taz | Es läuft noch nicht rund mit den forschungsbasierten Innovationen in Ostdeutschland. Das zeigt eine neue Studie aus dem Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig, die in dieser Woche erschien. Untersucht wurde der Einsatz von Forschungsmitteln zur Stimulierung von Innovationen in Unternehmen und die Auswirkung auf die ländlichen Räume und deren Bevölkerungsentwicklung. Danach hat sich die Abwanderung aus den „abgehängten“ Landstrichen weiter fortgesetzt, um rund 15 Prozent seit 2000, nachdem es seit der Wende 1989 bereits einen massiven Braindrain von Leistungsträgern gegeben hatte.

Die Raumforscher der Leibniz-Gemeinschaft teilten für ihre Untersuchung die Bundesrepublik in zwei Raum-Typen: die Ballungsräume mit städtischer Verdichtung („Agglomerationsräume“), in denen inzwischen 77 Prozent aller Deutschen leben und arbeiten, und die dörflich-ländlichen Landesteile („agglomerationsferne Räume“) mit 23 Prozent der Bevölkerung. Die Ballungszentren wachsen weiter, und auch in den westlichen Bundesländern ziehen die Menschen aus den ländlichen Regionen weg, aber nur um 3,6 Prozent seit 2000.

In einer großen Datenanalyse wollten die Leipziger Forscher herausfinden, welche Rolle Innovation und Wirtschaftswachstum dabei spielen. Ausgewertet wurden das Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit 16.000 Betrieben, die Förderdatenbank Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundeswirtschaftsministeriums mit einem Jahresbudget von 550 Millionen Euro, die Förderdatenbank des Bundes mit 110.000 Projekten und die Projektdatenbank der Fraunhofer-Gesellschaft mit 67.000 Kooperationsprojekten zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

Ein überraschender Befund war, dass vor allem öffentliche Forschungsinstitute in Ballungsräume streben und die ländlichen Räume bei ihren Kooperationsangeboten an die Wirtschaft eher meiden. So wurden von den Forschungsprojekten der Fraunhofer-Gesellschaft in den Jahren 2000 bis 2015 mit 3.486 Projekten die meisten in München abgewickelt (dem Sitz der Zentralverwaltung), gefolgt von Berlin mit 3.200 und Stuttgart mit 2.036. Führender Oststandort für Fraunhofer ist Dresden mit 1.149 Projekten. Auch bei den 80.000 ZIM-Projekten des Wirtschaftsministeriums wurden 90 Prozent in den Ballungsräumen und 10 Prozent in den ländlichen Regionen umgesetzt.

Die eigentliche Innovationsstärke einer Region erschließt sich aber erst, wenn die Projekt- mit der Bevölkerungszahl ins Verhältnis gesetzt wird. „Die höchsten Intensitäten finden sich in Wolfsburg, Jena und Aschaffenburg“, lautet das Ranking der deutschen Innovationshotspots. Es folgen die Standorte Darmstadt, Stuttgart und Leverkusen. „Neben Jena sind in den Agglomerationsräumen Ost­deutsch­lands Dresden, Chemnitz, Zwickau, Erfurt und Magdeburg bedeutende Standorte“, stellt die Studie fest.

Ein bundesweites Problem ist zudem der Rückgang von Unternehmensgründungen, um 20 Prozent seit 2008

Auch in der Förderdatenbank des Bundes gibt es „innovative Ausreißer“: Überdurchschnittlich viele FuE-Projekte wurden im Ilm-Kreis (Thüringen) und den Landkreisen Vorpommern-Greifswald, Nordwest-Mecklenburg und Rostock sowie dem Werra-Meißner-Kreis in Hessen gefördert. Ein bundesweites Problem ist zudem der Rückgang von Unternehmensgründungen, um 20 Prozent seit 2008, in Ostdeutschland sogar um 30 Prozent.

Um die peripheren Regionen innovativer zu machen, wird unter anderem die Unterstützung durch „neue Kommunikationstechnologien bzw. einer effektiven Kommunikationsinfrastruktur“ vorgeschlagen, mit der Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft „effektiv über Distanzen hinweg organisiert und realisiert werden können“. Noch wichtiger sei aber „der Um- und Ausbau geeigneter Bildungs- und Ausbildungs­institutionen“, um die Fachkompetenz der Mitarbeiter für die innovativen Unternehmen „zu bewahren und zu steigern“. Bessere Bildung, so das Fazit der Leipziger Raumforscher, wird der Schlüssel sein, um der Landflucht Einhalt zu gebieten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • na das forschungszentren in richtigen kleinstädten und dörfern angesiedelt werden ist schon sehr unwahrscheinlich.und die meisten mittelstädte wo so etwas möglich ist gehören ja auch zu einer agglomeration bzw bilden mit umliegenden orten eine sonst würde mann nicht auf solche werte kommen.politisch ist ja bloss sinnvoll zumindest die mittelzentren nicht zu vernachlässigen raus aus münchen berlin.... mageburg halle leipzig erfurt jena ...... sind doch auch ok und bilden dann in den regionen ankerpunkte für die umliegenden orte

  • Wäre noch interessant zu wissen, wie die Unlust der mit internationalen Mitarbeiter*innen arbeitenden Institute aufs Land zu ziehen mit der dortselbst notorischen Nazidichte korreliert....

  • so ist das nun mal: der mensch gehört in die stadt. man wird den größten teil mit keiner massnahme in der steppe festhalten können.

    • @kipferl:

      AB IN DIE PAMPA



      Warte mal ab, bis Anja Karliczek Bundeskanzlerin ist. Nicht nur Ibbenbüren gehört dann zur Weltspitze!