Verteidigungsminister Guttenberg in USA: Ein Kommunikator ohne Worte
Karl-Theodor zu Guttenberg ist ein Verteidigungsminister mit Anspruch. Er will offen über den Afghanistaneinsatz reden, doch dabei steht er genauso ratlos da wie sein Vorgänger Jung.
Wenn Karl-Theodor zu Guttenberg zeigen will, was er mit der neuen Klarheit in der Verteidigungspolitik meint, dann macht er eine Kunstpause. Ein wenig schiebt er den Unterkiefer vor, was entschlossen wirken soll, doch meist mengt er dem Ganzen auch einen Hauch nachdenkliche Ironie bei. Und dann sagt er etwa: "Bitte, erwarten Sie keine Antwort auf Ihre Frage."
Nun hat der neue deutsche Verteidigungsminister auf Besuch in Washington schon relativ deutlich gesagt, dass Deutschland aktuell keine weitere Truppenaufstockung in Afghanistan erwäge, sondern erst die für Januar geplante internationale Afghanistankonferenz abwarten werde. Sicher ist dies jedoch dem jungen afghanischamerikanischen Reporter entgangen, der aufgesprungen ist und gefragt hat, ob Deutschland weitere Soldaten nach Afghanistan schicken will. Wenn ja, wohin? Und ob sie auch kämpfen werden. Vielleicht will er aber nur noch einmal hören, wie der deutsche Minister - nichts sagt. Das macht Guttenberg allerdings mit besonderem Erfolg.
Im Center for Strategic and International Studies in Washington, das gemeinsam mit der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung zum Vortrag des neuen CSU-Stars geladen hat, wird er wärmstens empfangen. Guttenberg, der weltläufige Baron, der fließend englisch spricht und aus seiner Zeit als Außenpolitiker das Personal der transatlantischen Cliquen und Kreise kennt, ist hier zu Hause.
Ulf Gartzke, Büroleiter der Hanns-Seidel-Stiftung, stellt ihn vor und ist stolz auf seinen jungen Minister. Dieser sei "schon häufiger als jeder andere deutsche, vielleicht sogar häufiger als jeder europäische Politiker in D. C. gewesen", behauptet er vom ehrfurchtsvoll-zärtlich "K.-T." Genannten. Dieser macht keinen Hehl daraus, wie froh er ist, nicht mehr als Wirtschaftsminister mit irgendwelchen Opel-Werken beschäftigt zu sein. "Die letzten Monate war ich abgelenkt", sagt er. Nun aber habe er "statt mit General Motors mit Generälen und echten Motoren" zu tun.
Sollte jemand in den Führungsrängen von CDU oder CSU geglaubt haben, den Jungstar aus Franken mit dem Verteidigungsministerium kaltgestellt zu haben, so dürfte zumindest Guttenberg selbst dies nicht so empfinden. Bissige Freundlichkeiten streut er beim Reden ein über die Aussichten der FDP-Koalitionskollegen, sich bestimmt bald in ihre Regierungsämter einzufinden.
Die 30 Journalistinnen und Journalisten, die den Minister auf seiner Antrittsreise nach Paris und Washington und auf eine Sicherheitskonferenz ins kanadische Halifax begleiten, brauchen nicht lange, bis sie für Guttenberg den Titel "Nebenaußenminister" gefunden haben. In den langen Stunden, die sie zwischen seinen Terminen auf ihn warten, überlegen sie, ob das nicht noch untertrieben sein könnte.
Guttenberg beabsichtigt offenbar, den schwierigen Job, den Deutschen den Afghanistaneinsatz zu verkaufen, zu seinen Gunsten zu wenden. Dem Ausland, auf Podien in Washington und Halifax erklärt er, wie er den Kampf um Zustimmung im Inland gewinnen will. Es kommt auf die Kommunikation an, sagt er. Es brauche eine "Sprache, die direkt ist und klar". Offenheit sei das Gebot.
Geradezu Furore hatte Guttenberg damit gemacht, dass er Anfang November als eines der ersten Statements die Lage in Afghanistan "kriegsähnlich" nannte. In einem Schwenk, der Einfühlungsvermögen bewies und gleichzeitig die indirekte Rede ermöglichte, ergänzte er: "Ich selbst verstehe jeden Soldaten, der sagt: In Afghanistan ist Krieg." Sollte dies das Ende der Verdruckstheit sein? Das Ende der mechanischen Phrasen, mit denen Guttenbergs Vorgänger Franz Josef Jung die Öffentlichkeit gemartert hatte, die so viel mehr Fragen zu Afghanistan hatte, als Jung überhaupt inhaltlich zu erfassen schien, geschweige denn hätte beantworten können?
Nun ja. Guttenberg findet einen Ton, der selbstsicher angesiedelt ist zwischen der politischen Zuspitzungsfähigkeit eines CSU-Profis und den diplomatischen Gemeinplätzen des Außenpolitikers. Bruchlos wechselt er vom leutseligen Fußballfachmann, der nach stundenlangem Flug plus Gesprächsterminen noch eigenhändig die Wanne mit dem gekühlten Pils auf den Tisch hievt, zum eloquenten Weltpolitiker, der sogar zugeben kann, dass er etwas dazugelernt und seine Meinung entsprechend geändert hat.
Doch bleibt Guttenberg in denselben Widersprüchen stecken wie sein Vorgänger. Die proklamierte Offenheit fand schon ihr Ende darin, dass er zum Bombardement der beiden Tanklastwagen Anfang September in Kundus zwar Stellung genommen hat, aber keinen Regierungsbericht mehr dazu verfassen will - das Thema soll jetzt bitte heruntergekocht werden.
In den USA muss der Minister immer wieder darüber reden, was Deutschland tun will, wenn US-Präsident Barack Obama in wenigen Tagen bekannt geben wird, wie viele zusätzliche Soldaten er nach Afghanistan schicken werde. Dies wird den Druck auf die Nato-Partner erhöhen, ihrerseits Truppen wie Mittel aufzustocken. Doch Guttenberg behauptet, es könne nicht sein, "dass derjenige, der die meisten schickt, auch unendlichen Druck auf die anderen ausübt mitzuziehen". Insofern sieht er die Bundesrepublik souverän. Denjenigen aber, die im Bundestag in der Opposition sitzen und verlangen, dass Deutschland endlich eine eigene, möglichst unabhängig erarbeitete Auswertung über Sinn und Erfolg des Einsatzes erarbeiten müsse, wirft er vor, "Romantiker" zu sein. Sie hätten das Wesen des Multilateralismus nicht begriffen.
Guttenbergs wichtigstes Argument, sich die Forderung nach mehr Einsatz für Afghanistan vom Leib zu halten, lautet: Die Amerikaner hätten ja noch nicht einmal Kriterien erarbeitet, an denen sie Erfolg messen wollen und nach denen eine Übergabe einzelner Regionen an die afghanischen Sicherheitskräfte möglich wäre. Doch gefragt, was denn seine Kriterien seien, nach denen er etwa die Region Kundus in afghanische Verantwortung übergeben würde, antwortet er: "Wir arbeiten dran." Jedenfalls müsse die Diskussion offen geführt werden.
Möglicherweise ist Kommunikation nicht alles, wenn der Bundeswehr Fürsorge signalisiert werden soll, den Wählern Souveränität und den USA Bündnistreue. Guttenberg sitzt in einem schmalen weißen Sessel auf dem Podium des Halifax International Security Forum, einer Sicherheitskonferenz in der kanadischen Ostküstenstadt. Er hat die Hände zwischen die Knie geklemmt, die Schultern zusammengezogen. Er legt den Kopf schief und lehnt sich weit zur Seite. Er gehört zu den Männern einer Politikergeneration, die bei der Körpersprache über mehr Ausdrucksfähigkeit verfügen als bloße Chauviposen.
Und wieder muss er die Frage beantworten, ob Deutschland bereit sei, mehr in Afghanistan zu tun und die Beschränkungen aufzuheben, unter denen die Bundeswehr operiere - etwa dass man nur im Norden bleiben will. Da wird der Minister fast sauer. Alle Staaten hätten solche Beschränkungen, diese Frage sei so langweilig, boring. Er schaut gereizt auf die Uhr. Diese Langeweile wird er sich nicht mehr lange leisten können. In den Wochen zwischen Obamas Afghanistanrede und der internationalen Afghanistankonferenz im Januar muss auch er entscheiden, ob Deutschland am Hindukusch weitermacht wie bisher.
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