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Versöhnung

■ St. Pauli nach 5:0 über FSV Zwickau fast aufgestiegen Von Clemens Gerlach

Die Stutzen hingen auf halbacht, das Trikot war schon lange nicht mehr an seinem Platz, sondern irgendwo in den Massen auf den Stehtraversen. Leonardo Manzi hatte immer noch nicht genug. Mit entblößtem Oberkörper machte sich „der große Brasilianer mit der kleinen Technik“ auf zur nächsten Ehrenrunde, die für den 26jährigen am vergangenen Freitag ewig hätte dauern können.

Eine Viertelstunde vor Schluß war er eingewechselt worden, weit vorher von der Gegengrade gefordert – eigentlich seit Monaten. Zählbares gebracht hat Leooo, übereifrig wie immer, anschließend nicht. Die Tore beim 5:0 gegen die schwachen Zwickauer hatten zuvor bereits andere geschossen – drei Scharping, je eines Hollerbach und Sawitschew – als der Publikumsliebling, der bereits ausgemustert war und nun eventuell doch bleiben darf, gekommen war.

Doch geht es eigentlich darum? Manzi, Pauli und Effektivität? Eine Chance – kein Tor, halben Zweikampf nicht verloren, vielleicht viermal hingefallen, öfter wieder aufgerappelt. Was bedeuten nüchterne Zahlen schon an einem solchen Abend, „an dem auf dem Kiez die Luft brennt“ (dpa), Vizepräsident Christian Hinzpeter „alles wunderbar und absolut perfekt“ findet und Vereinschef Heinz Weisener „überglücklich“ ist? An dem das Fanherz vor Freude überzulaufen droht und sich jeder mit jedem in den Armen liegt?

Dennoch: Fünf Tore waren es, „drei Punkte“, so Trainer Uli Maslo, die, wenn „alles normal läuft“ (Hinzpeter), den Aufstieg in die erste Liga bedeuten. Zweimal muß St. Pauli noch punktspielen, in Frankfurt und gegen Homburg – leichte Duelle gegen die beiden letztplazierten Mannschaften, die nur aufgrund der Lizenzentzüge für vier andere Vereine in der zweiten Liga verbleiben dürfen. Die direkte Konkurrenz hat es nicht so gut, und selbst Uli Maslo („Ich bin ein skeptischer Mensch“) fällt es schwer angesichts der Euphorie um ihn herum, „ruhig und sachlich“ zu bleiben. „Das ist eine sehr, sehr gute Ausgangsposition“, tiefstapelt der 58jährige dennoch.

Die Fans haben sich mittlerweile an ihn gewöhnt, manche ihn sogar richtig lieb. Am Freitag waren die „Uli, Uli“-Rufe nach dem Spiel – einige der 20 502 Zuschauer skandierten alternativ „Herr Maslo“ – fast genauso laut wie die nach Manzi. Das will schon was heißen. Und als Herr Maslo sich vor der Gegengeraden verbeugte, waren wirklich „alle zufrieden, so wie es beim Fußball eigentlich sein sollte“, es in der jüngeren Vergangenheit gerade bei Heimspielen nicht mehr der Fall gewesen war. Am Freitag durfte der erfahrene Coach ruhig Polohemd und Trainingshose anbehalten: Man weiß inzwischen auch so, was man an ihm hat. Und umgekehrt.

Kaum ein Vereins-Offizieller, der nach dem „Sieg mit Herz“ (Weisener) nicht die Fans lobte, die siegesduselig selbst die La Ola goutierten. Manzis Einwechselung wurde so zu einer deutlichen Geste der Versöhnung: ein Dankeschön an Publikum und Spieler für jahrelange Unterstützung. Wie es nun weitergeht, nach atmosphärischer Wiedervereinigung der politisch korrekten Art? „Wir können uns an Transfers nicht viel leisten“, sagte Weisener und bat die Fans schon jetzt um Nachsicht: „Die Siege werden in der Bundesliga wohl knapper ausfallen.“

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