piwik no script img

Verschwundene VögelMais vertreibt Schleiereulen

In Schleswig-Holstein ist der Bestand der Schleiereulen drastisch zurückgegangen. Eine Folge des Booms der Biogasanlagen und der zunehmenden Vermaisung

Findet in Schleswig-Holstein immer öfter keine Nahrung mehr: die Schleiereule. Bild: dpa

KIEL taz | Sie nisten in Kirchtürmen, Scheunen, selbst in Fabriken: Schleiereulen mögen Menschen und Siedlungen – als sogenannte Kulturfolger leben sie in Schleswig-Holstein ausschließlich an besiedelten Orten. Im 19. Jahrhundert war praktisch kein Bauernhaus ohne Eule. Doch nun schlagen Fachleute Alarm: Seit der Jahrtausendwende ist die Population von fast 1.000 brütenden Vogelpaaren auf nur noch 70 im Jahr 2013 geschrumpft.

Für den schrumpfen Bestand können die kalten Winter verantwortlich sein. Ein Grund könne aber auch sein, dass es immer weniger Wiesen und Weiden gebe, sagt Ingo Ludwichowski vom Naturschutzbund Schleswig Holstein (Nabu). „Natürlicherweise jagen Schleiereulen auf Grünland“, sagt er. Aber auf vielen dieser Flächen werde in Folge des Booms der Biogasanlagen und der Massentierhaltung Mais angebaut. Zwischen den Maispflanzen sind Mäuse, die Hauptnahrung der taubengroßen Eulen, kaum zu entdecken. „Ab Mitte Juli ist der Mais so hoch, dass die Tiere dort nichts mehr jagen können“, sagt der Biologe Stefan Wolff vom schleswig-holsteinischen Landesverband Eulen-Schutz.

Ludwichowski fordert daher, die politischen Rahmenbedingungen zu ändern, um der Schleiereule – und anderen Tieren, die Wiesen und Weiden brauchen – zu helfen. Statt Mais extra anzupflanzen, sollten die Betreiber der Biogasanlagen Reststoffe verwerten. „Das war der ursprüngliche Gedanke bei Biogas“, sagt er.

Klaus Dahmke, Pressesprecher des Schleswig-Holsteinischen Bauernverbandes, hält dagegen: Seit Jahren dürften Bauern nur mit einer Genehmigung Grünland zu Ackerflächen umbrechen, wenn sie eine ebenso große Fläche an anderer Stelle anlegten. „Der Mais macht nicht einmal 20 Prozent der Gesamtfläche aus“, sagt Dahmke. Auch die Fläche des Grünlandes in Schleswig Holstein sei im vergangenen Jahr wieder größer geworden. „Es ist zu einfach zu sagen: Der böse Maisanbau ist schuld.“ Schließlich zeigten auch die zuletzt positiven Meldungen über den Bestand der Störche in Schleswig-Holstein, dass die Ursache für den Rückgang der Schleiereulen nicht allein vom Maisanbau abhänge. Beide Arten ernährten sich ähnlich, sagt Dahmke.

„Rosinenpickerei“, nennt Ludwichowski das. Auch die Störche hätten Probleme mit den Maisfeldern, könnten aber auf Äcker ausweichen, auf denen sie Regenwürmer fänden. Der große Storchennachwuchs in diesem Jahr hinge vor allem mit dem trockenen Wetter zusammen. Dazu käme noch der Zuzug von Störchen aus anderen Regionen. „Der Vergleich hakt“, sagt der Biologe.

Das von dem Grünen Robert Habeck geführte Kieler Landwirtschaftsministerium sieht die Veränderung der Landschaft ebenfalls kritisch: „Der massive Grünlandumbruch der vergangenen Jahre hat die Nahrungsgrundlage der Schleiereule stark beeinträchtigt und dürfte maßgeblich zum Rückgang der Population beigetragen haben“, sagt Sprecher Sönke Wendland. Für die Schleiereulen wird durch Schutzprogramme einiges getan. „Anträge, etwa für Nisthilfen, werden sofort bewilligt“, sagt Wendland. Auch der Vertragsnaturschutz, bei dem Bauern Geld erhalten, wenn sie Flächen unbeackert lassen, helfe den Eulen.

Dass die Zahl der Tiere schwankt, ist grundsätzlich nicht ungewöhnlich. Im Kälte- und Schneewinter 1978/79 etwa brach der Bestand der Schleiereulen in Schleswig-Holstein laut Landesverband Eulen-Schutz fast vollständig zusammen. Betroffen waren auch andere Eulen-Arten wie der Steinkauz.

Erfolgreich verlief die Wiederansiedlung des Uhus: Nachdem er im 19. Jahrhundert als Schädling ausgerottet worden war, brüten jetzt wieder rund 400 Paare in Schleswig-Holstein. Anders als die Schleiereule halten sie sich aber vom Menschen fern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Etwas ähnliches kann ich vor meinem Fenster beobachten: der Sommerflieder, der dort steht, war noch vor wenigen Jahren, vor der Energiewende, um diese Zeit mit Schmetterlingen verschiedenster Arten übersät. Heute: ein einsamer Kleiner Fuchs. Und dabei hat die Energiewende noch kein Gramm CO2 eingespart - wahrscheinlich eher im Gegenteil.