Verschwundene Geldscheine in Liberia: Wirtschaftskrimi vor Aufklärung
Die verschwunden geglaubten Geldscheine Liberias sind doch da. Es sind sogar mehr Scheine als gedacht. Aber wie hat sich das Geld vermehrt?
Die Affäre in Liberia um verschwundene Geldscheine im Wert von umgerechnet rund 88 Millionen Euro, etwa so viel wie der Bargeldbestand des Landes, ist aufgeklärt. Ein von der US-Entwicklungshifsbehörde USAID in Auftrag gegebener Prüfbericht der Consultingfirma Kroll hat das Rätsel gelöst.
Die gute Nachricht: Das Geld war gar nicht verschwunden. Die schlechte: Es ist mehr Geld nicht verschwunden, als offiziell in Umlauf gebracht wurde, sodass sich jetzt doch wieder Fragen stellen – und zwar an höchste Kreise der früheren Regierung der Expräsidentin und Friedensnobelpreisträgerin Ellen Johnson-Sirleaf.
Gegen Ende ihrer Amtszeit nämlich bestellte Liberias Zentralbank neue liberianische Dollar-Geldscheine bei der US-Druckerei Crane. Dass das Parlament das erst nachträglich genehmigte, war egal: ein Sohn der Präsidentin leitete die Zentralbank. Problematischer war, was folgte. Bestellt wurde ein Nennwert von 15 Milliarden liberianischen Dollar (LRD). Geliefert wurden aber 15,506 Milliarden laut Zentralbank – und laut der Frachtpapiere der Druckerei sogar 17,45 Milliarden, ein Unterschied von umgerechnet 15 Millionen Euro.
Laut Zentralbank waren die Frachtpapiere mit der höheren Summe lediglich „Entwürfe“ – aber sie befinden sich in der offiziellen Buchhaltung. Dazu kommt: Die Zentralbank brachte zwar das frische Geld in Umlauf, zog aber nicht im Gegenzug Liberias altes Geld ein, wie eigentlich vorgesehen. Das Ergebnis: Plötzlich gab es in Liberia doppelt so viel Bargeld, das Land rutschte in die Inflation und der Kurs der Landeswährung sackte ab. Der Regierung von Präsidentin Johnson-Sirleaf war das egal, denn ihre Amtszeit ging zu Ende. Das Problem erbte der zu Weihnachten 2017 gewählte neue Präsident George Weah, ökonomisch unbeleckt.
Liberia hat für sein Geld doppelt bezahlt
Im Juli 2018 machte die Zentralbank aus ihren Reserven 25 Millionen US-Dollar locker, um das eigene alte Geld aufzukaufen und den Kursverfall aufzuhalten. So hat Liberia für sein Geld doppelt bezahlt: Erst wurden die neuen Geldscheine gekauft, dann die alten.
Manche der alten Scheine sind schon wieder in Umlauf. Und seit der Kroll-Bericht vergangene Woche publik wurde, ist Liberia entgeistert. Ex-Zentralbankchef Charles Sirleaf und zwei Kollegen kamen in Untersuchungshaft. Am Montag wurden sie zusammen mit zwei flüchtigen weiteren Kollegen wegen Verschwörung und Wirtschaftssabotage angeklagt. Der größte Wirtschaftskrimi Liberias steht vor der Aufklärung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Protest gegen Kies- und Sandabbau
Der neue Kampf gegen Gruben