Versammlungssaal für die AfD: Unter dem Deckmäntelchen der Demokratie
Der AfD-Landtagsabgeordnete Moriße will in Wilhelmshaven einen Club der Demokratie eröffnen. Doch er hat es versäumt, eine Genehmigung zu beantragen.

Die Fassade des zweistöckigen Gebäudes Marktstraße 119, die Moriße für seinen Club ausersehen hat, wirkt wenig einladend. Die rosa Farbe am Erdgeschoss ist verblasst. An den Scheiben klebt der ehemalige Name der früheren Gaststätte „City Treff“. Topfpflanzen stehen in den Fenstern. Die weiße Fassadenfarbe am ersten und zweiten Stock zeigt Risse. Auf der Webseite findet sich der Hinweis: „Das City Treff ist auf unbestimmte Zeit geschlossen.“ Im Gegensatz zur Fassade scheint der Innenraum kostspielig renoviert worden zu sein.
Morisse sitzt seit 2016 für die AfD im Stadtrat, seit 2022 im Landtag. Die rund 450 Quadratmeter des ehemaligen City Treffs will er in den kommenden drei Jahren für große „Veranstaltungen aller Art“ nutzen. Zu mieten sein soll der Saal für eine geringe Gebühr von nur einem Euro pro Quadratmeter, wie Moriße bei einem Gespräch vor Ort sagte. Finanzieren will er das hauptsächlich über die staatlichen Gelder, die er für die Ausübung seines Landtagsmandates erhält.
Der AfD-Abgeordnete versichert, dass die Räume für „verschiedene Gruppen“ offen seien, auch für die Grünen. Am 20. Mai soll es losgehen. Allerdings verrät schon das Impressum des City Treffs die Nähe zur AfD. Für das nicht betriebsfähige Lokal zeichnet Torsten Kastrioti, der seit 2021 für die AfD im Rat der Stadt ist. Ein Lieferdienst im Keller soll AfD-Aussagen zufolge weiterlaufen. Platz finden soll zudem die Fußpflege-Praxis von Irina Moriße-Kappes. Die Ehefrau des Landtagsabgeordneten ist Kreisschatzmeisterin der AfD vor Ort.
Die AfD braucht Räume
Bereits am 28. März fand ein erster AfD-Stammtisch mit dem AfD-Landtagsabgeordneten Stefan Marzischweski-Drewes in den Räumen statt. Er sollte zu den Themen Kommunalfinanzen und der Corona-Pandemie-Aufarbeitung sprechen. Bei dieser Veranstaltung offenbarte Moriße, wer die Räume vor allem nutzen dürfte: die AfD.
Seine Partei habe „bundesweit Schwierigkeiten“ Räume für Veranstaltungen zu finden, räumte Moriße ein. Erste Anmeldungen der AfD-Bundestagsfraktion sowie der Europafraktion für den Juni sollen bereits eingegangen sein, sagte der Abgeordnete. Einen Strich durch die Rechnung machen könnte ihm die Stadt.
Denn für die angekündigten Pläne fehlt die nötige Genehmigung. „Bauordnungsrechtlich sind Räumlichkeiten, in denen regelmäßig Veranstaltungen durchgeführt werden, als Versammlungsstätte definiert“, sagt eine Pressesprecherin der Stadt. „Diese erfordern eine Genehmigung nach der Niedersächsischen Bauordnung.“ Doch solch eine Genehmigung liege für die Marktstraße 119 nicht vor.
Dem Eigentümer gegenüber sei bereits eine Nutzungsuntersagung ausgesprochen worden. Ein entsprechender Nutzungsantrag sei bei der Verwaltung bislang nicht eingegangen. Dass er selbst versäumte, die nötigen Anträge zu stellen, hielt Moriße nicht davon ab, am 24. April das angebliche Verbot seines Clubs zu skandalisieren.
Er schimpfte über eine Schikane mit totalitären Mitteln und verstieg sich zu einem historischen Vergleich: „Solche Maßnahmen“ erinnerten an die „dunkelsten Zeiten unseres Landes“. Damit dürfte der AfD-Mann auf die Zeit von 1933 bis 1945 anspielen und so die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlosen. Moriße kündigte an, das Verbot „mit sämtlichen juristischen Mitteln“ abzuwehren, „damit den Bürgern der Club der Demokratie erhalten bleibt“.
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