Versagen der Ermittlungsbehörden Kenias: Serienmord befeuert Stimmung
Gerade erst hat das Militär in Kenia Massenproteste niedergeschlagen. Nun erschüttert ein Serienmord an Dutzenden Frauen das Land.
Kenias Polizei meldete am Montag, sie habe in einer nahegelegenen Bar einen mutmaßlichen Serienmörder festgenommen, der dort Fußball schaute. Der 33-Jährige habe gestanden, 42 Frauen ermordet zu haben, darunter seine eigene Ehefrau. Die Leichen habe er in der Müllgrube im Steinbruch entsorgt. Sein Haus befinde sich in der unmittelbaren Nachbarschaft, so Mohamed Amin, Chef der Kriminalpolizei.
Seit die ersten Leichen am Freitag entdeckt wurden, befindet sich Kenia in einem Schockzustand. Ohnehin ist das Land seit Wochen von Unruhen geplagt. Bei Massenprotesten starben 23 Menschen durch Kugeln oder andere Geschosse. Das Militär hatte eingegriffen, um die Proteste gewaltsam aufzulösen. Noch immer gelten Hunderte Demonstranten als vermisst, Angehörige fürchten, dass sie von Sicherheitskräften verhaftet oder gar getötet wurden. Polizeichef Japhet Koome musste am Freitag seinen Posten räumen. Am Tag zuvor hatte Kenias Präsident William Ruto fast das ganze Kabinett gefeuert.
Vor diesem Hintergrund haben die Leichenfunde die Stimmung weiter angeheizt. Die unabhängige Aufsichtsbehörde über die Polizei (IPOA) hatte am Freitag angekündigt, zu untersuchen, ob Polizisten einer Polizeistation neben dem Steinbruch Gefangene getötet und deren Leichen entsorgt haben. Kenias neu ernannter Polizeichef Douglas Kanja versicherte, die Ermittlungen so „transparent und unabhängig wie möglich“ zu gestalten. Er scheint zu wissen: Das Vertrauen in die Sicherheitskräfte ist zerstört.
Totalversagen der Ermittlungsbehörden
Die Kriminalitätsrate in Kenia ist eine der höchsten in Ostafrika. Bereits zu Beginn des Jahres hatte es wegen der hohen Zahl an unaufgeklärten Mordfällen an Frauen Proteste gegeben. Ein Bündnis aus Menschenrechts- und Frauengruppen fordert von der Regierung, Femizide gesetzlich als Verbrechen anzuerkennen und zu ahnden. Im vergangenen Jahren waren an Kenias Küste zahlreiche Massengräber mit insgesamt über 600 Leichen entdeckt worden. Dort hatte Sektenführer Paul Mackenzie seinen Anhängern befohlen, sich zu Tode zu hungern, darunter zahlreiche Kinder. Auch in diesem Fall zeigte sich das totale Versagen der Ermittlungsbehörden.
Kenias Präsident Ruto versucht nun einen Spagat, um die Lage im Land unter Kontrolle zu bringen. Er selbst hatte im Wahlkampf 2022 versprochen, den Armen das Leben zu erleichtern. Frisch ins Amt gewählt, musste er einsehen, dass Kenia in einer Schuldenfalle steckt. Wie so viele Länder Afrikas muss die Regierung fast 70 Prozent des Staatshaushaltes für die Tilgung von Krediten einplanen. Für Gesundheit, Bildung, Infrastruktur bleibt kaum etwas übrig.
Als dann im Juni dieses Jahres im Parlament der neue Staatshaushalt debattiert wurde, standen darin zahlreiche Steuererhöhungen. Kenias Jugend organisierte sich über soziale Medien, auch mittels künstlicher Intelligenz, die ungebildeten Kenianern einfach zu verstehen half, was die Steuererhöhung für sie konkret bedeuten würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück