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„Verpasste Reformchance“

Noch-Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne) trauert um mit der FDP durchgesetzte Bürgerrechte. In der Opposition werde es schwer, ein eigenes Profil zwischen Bürgerblock und Rot-Rot zu finden

von PLUTONIA PLARRE

taz: Herr Wieland, was bedeutet das Ende der Koalitionsgespräche für die Grünen?

Wolfgang Wieland: Dass wir die Oppositionsbänke ins Visier nehmen.

Hat es Signale der SPD gegeben, die Grünen zusammen mit der PDS ins Boot zu holen?

Mir gegenüber wurden keine Avancen gemacht. Natürlich gibt es eine Gerüchteszene.

Würden sich die Grünen an so einer Konstellation denn beteiligen?

Für mich persönlich schließe ich das aus. Wolfgang Wieland wird in einer rot-rot-grünen Regierung nicht Justizsenator.

Wird Wolfgang Wieland wieder Fraktionschef und innenpolitischer Sprecher der Grünen?

Das sind alles ungelegte Eier. Noch regiere ich.

Auf was für eine Form von Opposition müssen sich die Grünen einstellen?

Die Oppositionsrolle wird schwer, weil es im Berliner Parlament bekanntermaßen rechts gegen links geht. Das heißt, es wird einen Bürgerblock gegen Rot-Rot geben. Die Grünen müssen eine eigenständige Oppositionlinie dazu finden. Diese wird teilweise links von Rot-Rot sein, aber nur in Teilbereichen.

Können Sie dafür Beispiele nennen?

Nehmen wir die Zuwendungen für die freien Träger und Projekte. Bei den Koalitionsverhandlungen haben wir diese Einrichtungen immer verteidigt, weil sie im Jugend- und Kulturbereich absolut notwendig sind und eine sehr erfolgreiche Arbeit machen. Das werden wir auch in der Opposition tun, wenn es in diesem Bereich zu den von der SPD vorgeschlagenen Kürzungen kommt und die PDS mitmacht. Wir werden unser ökologisches Profil gegen beide Parteien setzen und auch sagen, dass sich die Grünen gegen den sehr rigorosen Sparkurs von SPD und FDP gegenüber den Beschäftigten im öffentlichen Dienst gesperrt haben.

Wo lagen die Stärken und Schwächen der Grünen bei den Koalitionsverhandlungen?

Wir haben die Koppelung der Gewerbesteuer mit der Absenkung im politischen Bereich durchgesetzt. Stichwort: 13. Monatsgehalt für Senatoren, Stichwort: Sparmaßnahmen in den Führungsebenen. Was wir nicht durchsetzen konnten, waren Themen wie der Verkauf des Senatsgästehauses, das wir überflüssig finden. Klaus Wowereit möchte es gern behalten und mit neuem Leben füllen. Auch nicht durchsetzen konnten die Grünen den Verzicht auf Dienstwagen für Fraktionsvorsitzende. Das wurde von den anderen für Pipifax gehalten. Wie man hört, will die PDS jetzt auch einen Dienstwagen für ihren Fraktionsvorsitzenden haben.

Auch aus dem Bereich Innere Sicherheit wurden grüne Erfolge vermeldet.

Dort haben FDP und Grüne einige tolle, bürgerfreundliche Dinge in der Koalitionsvereinbarung durchgesetzt: Kennzeichnung der Polizei, Entwaffnung des freiwilligen Polizeidienstes, mehr direkte Demokratie, das politische Bezirksamt. Man wird sehen, ob die SPD das Paket wieder aufmacht und wie sich die PDS dazu verhält.

Jubelt die grüne Basis jetzt über das Nichtzustandekommen der Ampel?

Ein Drittel der Basis war dagegen. Zweidrittel haben es vom Ergebnis der Koalitionsverhandlungen abhängig gemacht. Die dagegen waren, lassen die Sektkorken knallen. Die anderen – zu denen ich auch gehöre – trauern zum Teil um die Chance, Berlin mit ganz unterschiedlichen Reformkräften umzugestalten. Wie das aussehen könnte, haben wir in der Fachgruppe Inneres und Justiz vorgemacht. Das wäre in anderen Bereichen auch möglich gewesen, aber dort wurde diese Chance nicht genutzt.

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